Frauenbilder:Selbstverständlich weiblich

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In Patrizia Zewes Kunstsalon setzen sich neun Künstlerinnen unter dem Titel "Independent Woman" mit ihrer eigenen Rolle auseinander.

Von Felicitas Amler, Bad Tölz

Es ist paradox: Einerseits sind es vor allem Frauen, die sich vor Spinnen ekeln. Andererseits werden Spinnen oft gerade mit dem Weiblichen assoziiert. Für Louise Bourgeois (1911-2010) war das schwarze achtbeinige Tier eine freundliche, schutzspendende Mutter: "Maman" heißt eine stählerne, gut neun Meter hohe Figur aus einer Serie von Spinnen, welche die Bildhauerin geschaffen hat. In der aktuellen Ausstellung "Independent Woman" in Patrizia Zewes Kunstsalon ist diese Maman indirekt zu sehen - als Teil eines neuen Kunstwerks, das ebenfalls mit Frauenbildern zu tun hat. Marianne Hilger stellt mit schlichten Mitteln, aber sehr originell dar, was Zewe in dieser Schau problematisieren möchte: die künstlerisch kreative Frau in ihrer Doppel- bis Dreifachrolle.

Drei Geschirrtücher sind in Hilgers Installation mit Wäscheklammern an einer Leine befestigt. Jedes einzelne ist mit einem Künstlerinnenporträt bedruckt, darunter steht, wie viele Kinder jede hatte: Nancy Spero lehnt über einer ihrer Collagen - "3 Kinder"; Louise Bourgeois hält sich eine ihrer Spinnen über den Kopf - "3 Kinder"; Niki de Saint-Phalle mit dem Gewehr für eins ihrer Schießbilder im Anschlag - "2 Kinder". Das Kunstwerk nennt sich "Hausfrauenkunst".

Schönheit kann eine Frage der Haltung sein: Rita Kohmann zeigt das mit ihren Schwarz-Weiß-Fotografien einer alten Kubanerin. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Genau das sei es, was Künstlerinnen, die im Übrigen noch Pflichten wie dem Haushalt und der Kindererziehung nachkämen, oft vorgeworfen werde, sagt Zewe: "Na gut, sie macht halt ein bisschen Kunst. Als sei es ein Hobby." Zewe, 65, Betreiberin des Kunstsalons, Vorsitzende des Kunstvereins Tölzer Land und als Gala von Nauheim selbst kreativ tätig, hat zwei erwachsene Söhne. "Ich gehöre ja zu dieser Generation der 68er, wir waren immer die Kämpfer", sagt sie. Und darum müsse es Frauen heute noch gehen: sich zu behaupten. Natürlich, sagt Zewe, werde nicht aus jeder Künstlerin eine Gabriele Münter. Aber wenn eine Frau ein Leben lang Kunst mache, könne sie auch beanspruchen, als Künstlerin ernst genommen zu werden.

Als "Independent Women" präsentieren sich im Kunstsalon neun Künstlerinnen, die sich hier ganz unterschiedlich mit der Rolle der Frau auseinandersetzen. Stefanie Macherhammer setzt auf den Reiz des Verborgenen. Ihr großformatiges, kompositorisch sehr gekonntes Grün-Weiß-Blau-Gemälde in Acryl auf Leinwand wirkt auf den ersten Blick abstrakt. Bei näherem Hinsehen entdeckt man, dass das Weiße Wäsche ist, die an einer Leine hängt; und bei noch näherem, dass die kleinen pinkfarbenen Flecken ein BH und ein Höschen sind. Der Titel "Victoria Secret" scheint auf ein ganz ähnlich lautendes Dessous-Label zu verweisen.

Stefanie von Quast stellt im Kunstsalon Bronze-Miniaturen "In ganzer Pracht I - III" aus. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Reizvolle Frauen, das Inbild einer starken, weisen Frau, eine Frau mit dem muslimischen Gesichtsschleier, die ihren Körper dennoch nackt präsentiert: All das ist in den zwei kleinen Räumen plus Foyer zu sehen. Ausgerechnet eine frühere Modefotografin, die für Magazine wie "Vogue" gearbeitet hat - Rita Kohmann - zeigt anrührend, wie eine ärmliche alte Frau auf Kuba sich noch schön macht: Mit Halskette, Ringen und Armreifen. Mit einer stolzen Haltung und einem geraden Blick aus dem faltigen Gesicht. Es sind Schwarz-Weiß-Fotos, und sie beweisen, welche Kraft die Verweigerung der Farbigkeit, die uns sonst allenthalben umgibt, hat. Das Wesentliche dieser Bilder braucht keine Farben.

Bemerkenswert ist, wie oft Frauen in dieser Ausstellung nackt dargestellt werden - was auch immer das angesichts des Themas "Independent" bedeuten mag; dass auch Frauen genüsslich Vorurteile über Frauen wie zum Beispiel den angeblichen Schuhtick verbreiten; und dass es Arbeiten gibt, die man unabhängig vom Thema jederzeit gern wiedersehen würde. Stefanie von Quast ist mit einer Gruppe großartiger kleiner Bronze-Figuren vertreten, die handwerklich perfekt und künstlerisch hinreißend sind. Alles in allem: Die Kunst ist weiblich.

Drei Frauen, drei Künstlerinnen, drei Rollen: die Kreative, die Hausfrau, die Mutter. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Kunstsalon: "Independent Woman" , bis 20. Dezember, Freitag/Samstag 14 bis 18 Uhr, Sonntag 15 bis 18 Uhr, Marktstraße 6, Bad Tölz

© SZ vom 05.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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