Fotograf:Ansichten eines Außenseiters

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Werner Raschbacher ist ein "Zuagroster" in der Jachenau. Das hält ihn nicht davon ab, sich auf politischer und künstlerischer Ebene für seine Wahlheimat zu engagieren - zum Beispiel mit faszinierenden Naturaufnahmen

Von Petra Schneider, Jachenau

Werner Raschbacher ist mit dem Bus von der Jachenau zum Interview nach Tölz gefahren. Selten komme er aus dem Tal heraus, sagt er und tätschelt seinen Hund. Strickjacke, Filzhut, saftiges Bairisch- Raschbacher ist ein Jachenauer, wie er im Bilderbuch steht. Meint man. Denn tatsächlich ist er erst vor sieben Jahren von München in die Jachenau gezogen und wohnt dort mit seiner Lebensgefährtin in einem Austragshäusl. Dass viel über seine Person in der Zeitung steht, mag er nicht. Denn es solle doch hauptsächlich um seinen Bildband "Jachenau und Isarwinkel" gehen.

Dabei gäbe es viel über den 66-jährigen Hobbyfotografen zu erzählen: Raschbacher ist Soziologe im Ruhestand und hat unter anderem an der Uni Augsburg und einer neurologischen Klinik in München als Gesundheits- und Sozialforscher gearbeitet. Er interessiert sich für Philosophie, Geschichte und Literatur und kann viel erzählen - ruhig, manchmal spitzbübisch und in breitem Dialekt: Über seine Lieblingsfotografen Walker Evans und Anselm Adams, über den Philosophen Martin Heidegger oder die Malerei von Lovis Corinth.

Wenn das Wetter passt, dann schwingt er sich auf sein Rennrad, fährt seine Runden zwischen Jachenau, Walchensee, Sylvenstein und Isar und fotografiert. Das Rennrad und die schwere Fotoausrüstung, das sei natürlich eine "Scheißkombination". Aber wenn er die Kamera nicht dabei hat und ihn springt ein Motiv an, dann ärgert ihn das. Raschbacher liebt seine Wahlheimat. Auch wenn es für einen "Zuagroasten" wie ihn nicht leicht sei, in die dörfliche Gemeinschaft aufgenommen zu werden. "Dir ghört ja ned amoi der Schnee ums Haus rum", habe er sich schon sagen lassen müssen.

Dass er sich als einer der ersten gegen das Pumpspeicherwerk am Jochberg engagiert hat, hat die Sache nicht einfacher gemacht. Denn anders als in Kochel sei die Ablehnung der Jachenauer gegen das Projekt nicht so eindeutig gewesen. Für ihn war von Anfang an klar: Wenn das Pumpspeicherwerk kommt und die 40-Tonner durch die Jachenau donnern, "dann is vorbei mit der Griabigkeit, weil die bringen ned nur Ruaß und Radau, sondern Unruhe und Unfrieden ins Tal."

Sein Bildband mit 60 Fotos sei "der optische Nachhall eines Aufschreis", hat Raschbacher in einem kurzen Nachwort geschrieben. Die Bilder sollten zeigen, was verloren gegangen wäre, wenn Bürgerproteste und die Politik das Pumpspeicherprojekt nicht gestoppt hätten: Den Jochberg aus verschiedenen Perspektiven, die Ruhe an Walchensee und Isar, Alltagsszenen in der Jachenau. Etwa die Protagonisten einer Bettelhochzeit vor einigen Jahren, Holzarbeiter oder Taucher, die wie unheimliche, schwarze Kraken aus dem Walchensee auftauchen. Immer wieder kontrastiert Raschbacher natürliche und artifizielle Szenerien - das türkisblaue Wasser des Walchensees bei Zwergern mit der türkisblauen Wasserlandschaft im Alpamare. "Ich flüchte vor der Idylle", sagt er.

Wann ihn das Fotografien gepackt hat, weiß er noch genau: Mit 16 habe er im Kino "Blow Up" gesehen, einen Film über einen Fotografen und gleichzeitig ein Porträt der Beat Generation im London der 1960er Jahre. "Dieses unabhängige, freie Leben hat mich unheimlich begeistert." Also hat er sich seine erste Rolleiflex-Kamera gekauft und wollte auf die Fotoschule in der Münchner Clemensstraße. Seine Eltern waren dagegen, er solle lieber "was Gscheits lernen", hieß es. Manche seiner Fotos sind unspektakulär, einige begeistern auf den ersten Blick, andere wirken erst beim genauen Hinschauen. Wie Raschbachers Lieblingsbild, der Kesselberg im Winter: Eine Landschaft, die wie eine Struktur wirkt, "wie ein kubistisches Gemälde". Das klinge jetzt vielleicht hochtrabend, sagt er fast entschuldigend, "aber ich sehe die Landschaft schon mit einem kunsthistorischen Blick".

"Jachenau und Isarwinkel", 124 Seiten, 29 Euro, ISBN 978-3-00-047933-5, erhältlich im Buchhandel oder über jachenau-und-isarwinkel@web.de

© SZ vom 22.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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