Form, Kruste, Krume und Geschmack:Brote, bei denen alles stimmt

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Manfred Stiefel darf bei seiner Arbeit im Brot pulen. (Foto: Manfred Neubauer)

Manfred Stiefel testet, was Bäcker anbieten. 60 mal vergibt er ein Sehr gut und dazu einige Goldmedaillen

Von Elena Winterhalter, Geretsried

Der Boden unter dem langen Tisch ist übersäht mit Bröseln, Krumen und Körnern. Vor Manfred Stiefel vom Deutschen Brotinstitut türmen sich Brotlaibe in jeglicher Form und Größe auf. Rechts liegen die Brothälften - über sie hat sich der Brotprüfer schon ein Urteil gebildet. Links die Sorten, die Stiefel noch vor sich hat. Routiniert zerteilt er ein großes, ovales Exemplar mit dunkelbrauner, zerfurchter Kruste.

Insgesamt 89 Brote und 43 Semmelsorten von Bäckereien aus der Region haben bei der Brotprüfung vom Brotinstitut ein "Sehr gut" oder "Gut" bekommen. Damit erzielten die 14 Betriebe, die sich an der freiwilligen Selbstkontrolle beteiligt haben, laut Innungsobermeister Konrad Stelmaszek, ein sehr positives Ergebnis. Von Mittwoch bis Samstag testete Brotprüfer Manfred Stiefel unter anderem Form, Krumenbild, Krusteneigenschaften und natürlich den Geschmack der eingereichten Backwaren. Durch 103 verschiedene Brotsorten und 45 Semmel-Variationen probierte sich der Prüfer vom Deutschen Brotinstitut an den vier Tagen. Körnig, hell, dunkel, flach, klein, groß, oval, wurzelförmig - Manfred Stiefel kostet alles, riecht am Teig, fühlt die Konsistenz und tut, was man als Kind nie durfte: Er pult ein Loch in jede Brotscheibe, um das weiche Innere dem Geschmackstest zu unterziehen.

Für ihre Waren lassen sich manche Bäcker ganz besondere Bezeichnungen einfallen: Das "Verruchte Chia" zum Beispiel hat seinen Namen vom Ruchmehl aus der Schweiz. Das sei, sagt Manfred Stiefel, durch die Mischform von normalem Mehl und Vollkornmehl besonders bekömmlich. Die "Körnerdiva" überzeugt, wie könnte es anders sein, mit vielen Körnern. Und auch beim "Bierbrot" steckt die Zutat schon im Namen. Entscheidend für eine gute oder sehr gute Bewertung ist aber nicht die Originalität des Namens, sondern die fünf Hauptkriterien, nach denen das Institut prüft: Form und Aussehen, Oberflächen- und Krusteneigenschaften, Lockerung und Krumenbild, Struktur und Elastizität, Geruch und Geschmack. Von den 103 getesteten Broten wiesen 14 in diesen Punkten Mängel auf und wurden deshalb nicht prämiert. "Das heißt aber nicht, dass das schlechte Ware ist", sagt Stiefel. "Brot ist auch immer Geschmackssache."

52 Brote und 20 Semmeln erhalten eine gute Bewertung, 37 Brote und 23 Semmelsorten sind sogar sehr gut. Für sie bekommen die Bäcker einer Urkunde des Deutschen Brotinstituts. Goldmedaillen gehen dreimal die Spezialitätenbäckerei Büttner aus Bad Tölz, zweimal die Königsdorfer Backstube sowie zweimal der Geretsrieder Schmid-Bäck.

Die Besonderheit bei der diesjährigen Brot- und Semmelprüfung: Manfred Stiefel arbeitete vier Tage in der Mittelschule in Geretsried. Für den Brotprüfer eine schöne Gelegenheit, um den Schülern zu zeigen, wie vielseitig das Nahrungsmittel Brot ist, wie es entsteht und wo man es in guter Qualität bekommt. Und auch Konrektor Florian Gropius freute sich über die ungewöhnlichen Gäste in seiner Schule: "Die Rückmeldung der Schüler war super. Einige kennen Brot nur aus dem Discounter."

Gerade für das Bäckerhandwerk ist es wichtig bei jungen Generationen präsent zu sein. Es geht um Ausbildungsplätze. Zwar habe das Handwerk wieder mehr Zulauf, besonders bei Lehrlingen, die vom Gymnasium oder der Realschule kommen, sagt Stelmaszek. Trotzdem brauche es weiter motivierte Bewerber.

Inzwischen liegen nur noch wenige Brote auf der linken Seite. Dafür sind die Brösel auf dem Boden des Mehrzweckraums der Mittelschule mehr geworden. "Immer wieder werde ich gefragt, ob ich denn Brot überhaupt noch sehen kann, bei meinem Job", sagt Stiefel. "Ja, ich kann. Wenn ich einen schönen Laib sehe, bekomme ich ein Strahlen im Gesicht." Aber selbst er habe nach 55 getesteten Brotproben am Tag genug. "Irgendwann können meine Geschmacksnerven nicht mehr. Obwohl ich zwischen dem Probieren immer fleißig Wasser trinke." Ein Abendessen oder "ein Abendbrot" isst er trotzdem noch.

© SZ vom 26.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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