Flussfestival :Kabarett der Kontraste

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Der Auftritt des "Kinderchors der Jungen Union Miesbach" alias zwei ältere Herren in Lodenjankern namens "Ludwig und Ludwig", mit Maxi Schafroth in der Mitte. (Foto: Hartmut Pöstges)

Maxi Schafroth nimmt das Publikum auf dem Wolfratshauser Flussfestival mit auf eine bizarre Beobachtungsreise durch die vielen Facetten Bayerns. Das ist vor allem eines: urkomisch

Von Christa Gebhardt, Wolfratshausen

Fakt beim Flussfestival, Auftritt Maxi Schafroth: Dauerregen, Wintermantelkälte, frostige Füße, klamme Finger. Interpretation und Beschreibung des Allgäuer Kabarettisten zur aktuellen Lage: Weißblauer Bayernhimmel, strahlende Sommersonne pur, satter Reichtum im verlängerten Vorgarten Edmund Stoibers. "Faszination Bayern" halt, Titel seines Programms und Kernbotschaft zugleich: Nämlich die vordergründige Verehrung des gewichtigen Schreitens des Altbayerns, dem der zierlich verdruxte Allgäuer nicht das Wasser reichen kann. Das ist der Gegensatz, aus dem Schafroth schöpft. Und für seinen satirisch-kritischen Ansatz liefert der Kontrast jede Menge kabarettistisches Futter. Dass der Standort Bayern mit seiner überbordenden Innovation, gespeist aus Laptop und Lederhose, eine grandiose Illusion ist, belegt der quirlige Allgäuer eloquent und musikalisch perfekt anhand vieler Begebenheiten aus dem Alltag.

So werde zum Beispiel selbst im reichen Starnberg Wohlleben und Brauchtum gepflegt, indem jeder einen Geländewagen fahren darf. Daheim im Allgäu herrsche hingegen noch immer der Dreigesang, in der Tradition der einäugigen Eremitin, die in einer Tropfsteinhöhle gehaust und den Urtext mit ihren Fingernägeln im Fels eingeritzt habe. Vorgeführt wird das vom "Kinderchor der Jungen Union Miesbach" alias zwei ältere Herren in Lodenjankern namens "Ludwig und Ludwig". Schafroth präsentiert mit seiner schönen hellen Tenorstimme mit den beiden Ludwigs ein Gstanzl, das das wahre elende Leben im allgäuerischen Bergdorf beschreibt, vergessen vom Internet und jeglicher anderer Zivilisation. "Gscheit sein und fein sein, beieinander bleim", ob beim "Brombeer brockn, Marmelada kochn" oder beim "Heizöl hortn". Ganz wunderbar unterstützt werden Schafroths musikalische Einlagen von seinem Freund und Hofnachbarn Markus Schalk, seinem kongenialen Gitarristen. Der entlockt seinem Instrument eine beeindruckende Bandbreite von bluesigen, souligen, jazzigen Tönen, die wiederum einen spannenden Kontrast bilden zum altbayerischen Dreigesang.

Der "Kinderchor der Jungen Union" zieht sich übrigens durch das gesamte Programm und sorgt schon durch das bloße Erscheinen der beiden Ludwigs für Lachsalven. Überhaupt ist der ganze Abend ein großes herzhaftes Lachen aus dem Bauch heraus, egal was Schafroth erzählt: Ob es die Begegnung mit den Berliner Hippstern Silke und Jörn ist, die zum Ingwerschaumsüppchen nachhaltig erworbenen Wein reichen, oder die "helikoptering parents", die auf seinem Bauernhof das "Loslassen" auf allgäuerisch einüben.

Sehr lustig ist dann auch das ganz andere Verhalten der Allgäuer, die sich meist aus der "Räschtlepfanne" ernähren, oder mit ihren Schrottlauben mit den Münchner Geländewagen auf der Autobahn gleichziehen, um sich das Spritzwasser zu teilen. Es sind nicht nur die komischen Geschichten, die Maxi Schafroth mit atemberaubendem Tempo erzählt. Witzig ist, wie er es tut. Quicklebendig und präsent von Anfang bis Ende, mit enormer Körperspannung, schauspielerisch talentierter Mimik und Gestik verfällt er mühelos in verschiedene Dialekte und ebenso in Sprach- und Sprechgewohnheiten verschiedenster sozialer Milieus. Den säuselnden heuchlerischen PR-Sprech von Bankleuten zum Beispiel beherrscht er, die er aus seinem Brotjob als Bankangestellter kennt, wie ebenso den maulfaulen, aber treffenden O-Ton seiner Großmutter auf dem Bauernhof.

Das Wolfratshauser Flussfestivalpublikum ist mit ihm von Beginn bis zur letzten Einlage. Weil Maxi Schafroth einfach so wahnsinnig echt und charmant ist und nicht nur, wenn es mitsingen darf beim allgäuerischen Frustlied "Mir ham kei Luscht mehr", oder dem Refrain der alltäglichen Existenzfrage des Landwirts im Sommer: "Mähn oder nicht mähn?"

Frenetischer Jubel für den herzerwärmenden Maxi Schafroth an diesem kalten Abend an der Loisach.

© SZ vom 13.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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