Flüchtlinge :Ickinger sind spontan hilfsbereit

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Am "Runden Tisch Asyl" melden sich 20 von 50 Teilnehmern für einen Arbeitskreis. Pfarrer Vogelsang berichtet von positiven Erfahrungen mit Muslimen. Sozialamtsleiter Bigl freut sich, dass "die Kirche mit an Bord ist"

Von Claudia Koestler, Icking

Wenn in rund zwei Wochen Asylbewerber in das katholische Pfarrhaus Icking einziehen, werden sie nicht alleine gelassen, so viel ist sicher: Bei einem "Runden Tisch Asyl" am Dienstag im Ickinger Rathaus waren rund 50 Bürger anwesend, von denen sich etwa 20 noch am selben Abend zur Mitwirkung an einem Helferkreis bereit erklärten.

Doch bei aller Hilfsbereitschaft der Ickinger Bürger, es gab auch Sorgen und Fragen zu klären, weshalb Thomas Bigl, Sozialamtsleiter im Landratsamt, und Alfred Krämer, Akquisiteur von Unterkünften, der Einladung von Bürgermeisterin Margit Menrad (UBI) und Pfarrer Peter Vogelsang gefolgt waren. Sie klärten Fragen vorab, bevor sie zu Problemen werden und informierten ganz grundsätzlich zum Thema Asyl.

Eine der drängendsten Fragen aus dem Publikum war, ob es denn überhaupt sinnvoll sei, Muslime in einem katholischen Pfarrhaus unterzubringen. Bedenken dazu räumten Bigl und Vogelsang allerdings aus: Bislang habe es in dieser Hinsicht keine Probleme gegeben. In Ebenhausen habe er auch schon erlebt, sagte der Pfarrer, dass Muslime in den Gottesdienst kamen. Obendrein finde oft Sprachunterricht in Räumen statt, in denen auch ein Kreuz hänge - bislang stets ohne Probleme. Die kürzlich vorgefallenen Ausschreitungen in Neu-Ulm seien nicht der Regel-, sondern ein absoluter Einzelfall. Die Ickinger Asylbewerber im Alltag mit "Grüß Gott" zu grüßen, sei laut Bigl auf Nachfrage von Menrad ebenfalls "kompatibel". Auch im umgekehrten Falle habe es noch nie im Landkreis Gewalt gegen Asylbewerber gegeben, betonte Bigl. Zwar könne es durchaus schwierig sein, Christen und Moslems gemeinsam unterzubringen, räumte er ein. Genau deshalb müsse aber eben die Belegung klug gewählt werden, und Bewohner müssten gegebenenfalls auch mal wechseln. Sollte doch etwas vorfallen, gäbe es als niederschwelliges Regulativ einen privaten Sicherheitsdienst oder eben die Polizei. In den vergangenen drei Jahren sei diese aber lediglich elf Mal zu Asylunterkünften gerufen worden.

In mittlerweile 17 von 21 Gemeinden haben inzwischen Asylbewerber Unterkunft gefunden. Ein Viertel seien Afghanen, 20 Prozent Syrer und rund zehn Prozent aus Irak und Eritrea. Insgesamt beherbergt der Landkreis inzwischen in 70 Liegenschaften Menschen aus 24 Nationen. Bis zum Ende des Jahres, so prognostizierte der Sozialamtsleiter, würden 1300 bis 1400 Asylbewerber im Landkreis sein - etwa 300 mehr als noch vor kurzem angenommen. Deshalb ist es aus Bigls Sicht "ein großer Erfolg, dass nun die Kirche mit an Bord ist". Schließlich benötige man jeden Monat 60 bis 80 neue Unterkunftsplätze, ein "angespannter Mietmarkt ist da keine Ausrede, wir kriegen trotzdem Asylbewerber zugewiesen", sagte Bigl.

Wie der Sozialamtsleiter erklärte, dürfen Asylbewerber von Beginn an ehrenamtlich tätig werden. Nach vier Monaten kommt auch eine versicherungspflichtige Arbeit infrage, sofern kein Deutscher oder EU-Bürger bevorrechtigt ist. Die Versorgung der Asylbewerber orientiert sich an den Sätzen von Hartz IV-Empfängern, allerdings mit 326 Euro pro Monat 70 Euro weniger, weil Wohnung und Ausstattung gestellt werden.

Ein Helferkreis, wie er nun in Icking entstehen soll, könnte sich um Sprachunterricht bemühen, Begleitung zum Arzt oder zum Einkaufen anbieten oder hiesige Gebräuche erklären, inklusive dem Mülltrennkonzept.

Im Umgang plädierte er indes für Hilfe zur Selbsthilfe. Man müsse dessen gewahr sein, "dass es Leute sind, die ihr Leben in die Hand genommen haben, lassen Sie ihnen also ihre Selbständigkeit". Eine große Herausforderung sei die Schulpflicht für die Kinder, hier sollen künftig "Klärungsklassen" eingeführt werden. Sachspenden, warnte Bigl, seien schwierig: "Weil wir schon Formen der Großzügigkeit erlebt haben, die eher verkappte Verklappung waren, sprich, dass Müll entsorgt wurde." Gewünscht sind Fahrräder und Fahrradhelme, man müsse die Flüchtlinge über die hiesigen Verkehrsregeln aufklären.

Grundsätzlich plädierte Bigl dafür, sich mit anderen Gemeinden zu vernetzen. Helfer müssten auch auf Wechsel gefasst sein, denn die Asylberechtigung werde nach sechs- bis neunmonatigem Verfahren nur etwa einem Prozent der Bewerber zuteil. 30 Prozent seien danach sogenannte Schutzberechtigte, etwa Kriegsflüchtlinge, die Aufenthaltsrecht haben, bis sich die Lage in den Heimatländern gebessert habe. Ein Drittel erhalte jedoch eine Ablehnung und werde abgeschoben.

Zur Gründung eines Helferkreises treffen sich Interessenten am Montag, 16. März, um 19 Uhr im Ickinger Rathaussaal.

© SZ vom 12.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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