Flüchtlinge in Icking:Gefährliche Abschottung

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Wer sich vor den Flüchtlingen abschottet, nimmt sich jegliche Chance, die eigenen Ängste zu zerstreuen

Von Pia Ratzesberger

Alles ist vorbereitet. Doch noch weiß niemand, wie es weitergeht in Icking. Bis zu dem Tag, an dem die ersten Flüchtlinge vor der Schulturnhalle aus dem Bus steigen, ist unbekannt, wer da kommt - ob Familien, junge Männer oder Kleinkinder, ob Menschen aus Syrien, Irak oder Afghanistan. Einigen in Icking macht genau dieses Unwissen Angst. Sie überlegen, ihre Kinder nicht mehr alleine durch den Ort laufen zu lassen, den Nachwuchs abzuschotten vom Unbekannten. Doch wer solche Überlegungen Wirklichkeit werden lässt, nimmt sich jegliche Chance, die eigenen Ängste zu zerstreuen. Nur wer bereit ist, sich mit neu angekommenen Flüchtlingen zu beschäftigen, vielleicht mit ihnen zu sprechen, nur der kann merken, dass die Furcht möglicherweise unnötig war. Wissen baut Vorurteile ab, Kontakt überwindet Ängste. Der Wille dazu muss vorhanden sein - und zwar auf beiden Seiten. Zwang hilft nicht weiter.

Es ist deshalb viel Feingefühl gefragt - von Politikern, Lehrern, aber auch vom Helferkreis. Die Engagierten in der Gemeinde Icking, die bereits Teerunden und Patenschaften planen, dürfen die Skeptiker nicht überfordern, können von ihnen nicht die gleiche Begeisterung erwarten. Sehr wohl aber können sie versuchen, diese Leute miteinzubinden, erste Kontakte zu den Flüchtlingen herzustellen. Denn was auf keinen Fall passieren darf: dass die Ängste dieser Ickinger Bürger sich für lange Zeit verfestigen, dass die Flüchtlinge als Bedrohung in der Turnhalle wahrgenommen werden. Dann nämlich wird es in Icking im schlimmsten Fall zwei klar getrennte Gruppen geben. Die der Flüchtlinge und der Bürger, die sich mit ihnen solidarisieren. Und die der übrigen Ickinger, die sich den neuen Nachbarn verschließen - und sich in die alten Zeiten zurücksehnen. Allerdings werden diese so schnell nicht wiederkommen.

© SZ vom 26.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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