Fernab üblicher Pfade:Neuland mit Cello und Schlagzeug

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Die Brüder Wassily und Alexej Gerassimez überzeugen bei den Holzhauser Musiktagen

Von Sabine Näher, Münsing

Als ihren besonderen Geheimtipp hatte Anne Solveig Weber, die neue Künstlerische Leiterin der Holzhauser Musiktage, den Abend mit dem Essener Duo Gerassimez angekündigt: Ein Cross-over-Programm von Klassik bis Jazz, ergänzt um "eine ganz tolle, lockere Moderation". Dass sie keineswegs übertrieben hatte, davon konnte sich das Publikum auf Gut Ried am Samstagabend in der leider nicht ganz ausverkauften Reithalle überzeugen. Die Brüder Wassily am Cello (Jahrgang 1991) und Alexej am Schlagzeug (geboren 1987) gehören der Musikergeneration an, die die üblichen Pfade mit größter Selbstverständlichkeit verlässt, um neue, eigene Wege zu beschreiten.

Der Cellist gab sein umjubeltes Debüt bereits beim Festival im Vorjahr; an der Seite seines Bruders, dem derzeit jüngsten Professor der Musikhochschule München, wie Weber wissen lässt, kehrte er nun in die Reithalle zurück. Ihre Programmauswahl mit "von Klassik bis Jazz" zu umschrieben, trifft es dabei nicht ganz. Einen Großteil des Abends nehmen ihre eigenen Kompositionen ein, die sie "am liebsten spielen, weil sie sich so persönlich damit ausdrücken" können, wie sie dem Publikum erzählen. Und tatsächlich werden genau diese Stücke zu den Highlights des Programms. Aber auch die Werke anderer Komponisten wie Heitor Villa-Lobos, Claude Debussy oder Astor Piazzolla erklingen naturgemäß nicht in ihrer originalen Gestalt, da sie nicht für die Besetzung Cello/Schlagzeug geschrieben sind. Auch bei diesen Stücken fließt so unweigerlich der Gerassimez'sche Tonfall ein. Neue Pfade werden hier beschritten, die dem Publikum unablässig Neuentdeckungen ermöglichen.

An diesem Abend zeigt sich Webers Handschrift, die am Bewährten der Holzhauser Musiktage festhalten, zugleich aber ein paar Innovationen einbringen möchte, sehr deutlich. Ein paar erstaunte Mienen sind schon noch auszumachen im Publikum, aber den Brüdern gelingt es mit Charme, Können und der geradezu ansteckender Lust am eigenen Tun den Saal zu erobern. Villa-Lobos' "Aria Bachianas Brasileiras No.5" stimmt ein: Mit unendlich zarten Cellokantilenen, sanft umspielt vom Marimbaphon. Wassilys "Die letzte Nacht im Orient" entführt in faszinierend exotische Klangwelten. Sein Stück "Melancholia", entstanden in einer Situation "nach der Trennung von einem geliebten Menschen" wirkt indes fast zu persönlich, um es öffentlich aufzuführen.

Bei Casey Cangelosis "Bad Touch" schlägt dann die Stunde des Bruders: Alexej reißt das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin mit dieser Pantomime, deren Stimmen, Geräusche und Töne vom Band eingespielt werden. Er tut nur so, als ob er spielt. Eine tolle szenische Darbietung. Ein zwischen beiden improvisiertes Stück namens "Rizumu" (Rhythmus auf Japanisch) elektrisiert den Saal nicht ganz so. Claude Debussys "Beau Soir" entfaltet französische Eleganz und Leichtigkeit, im Cello wie im Marimbaphon. Darauf entlockt Wassily seinem Cello den Blues; ein Stück, das er mit 14 Jahren schrieb und "immer wieder gerne aufführt". Was Alexej in "Asventuras" mit der kleinen Trommel veranstaltet, ist sensationell. Für "La guitarra" nimmt Wassily dann sein Cello in den Arm. Mit Piazzollas "Libertango" geht ein fulminanter Konzertabend zu Ende.

Doch das Publikum klatscht und klatscht. "Gestern beim Proben haben wir festgestellt, dass wir eigentlich gar keine Zugabe haben", gesteht Alexej. "Wir haben was aus dem Hut gezaubert; das probieren wir jetzt mal." Gechillte Töne entlassen das Publikum in den kühlen Juliabend. Und Anne Solveig Weber, die ihre Feuertaufe glänzend bestanden hat, strahlt - freut sich auf das kommende Festival.

© SZ vom 23.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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