Europawahl in Bad Tölz-Wolfratshausen:Speed-Date mit Europa

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Die Zeit läuft bei der Veranstaltung "Speed-Debating, Triff Deinen Kandidaten" in Waldram. (Foto: Manfred Neubauer)

Um Orientierung für die anstehende Wahl anzubieten, hat der Kolpingbezirksverband Bad Tölz-Wolfratshausen-Miesbach ein Kennenlernen veranstaltet. Sieben Kandidierende standen Rede und Antwort.

Von Sophia Coper, Wolfratshausen

An der Wand tickt die Uhr, aber an den Stehtischen nimmt niemand davon Notiz. Die im Raum verteilten Grüppchen sind so in Diskussionen vertieft, dass selbst das laute Klingeln des Weckers sie nur langsam aus ihren Konversationen erwachen lässt. "Weiter geht's", erschallt eine Stimme im Hintergrund. Die kleinen Ansammlungen lösen sich auf, mischen sich neu — um sogleich am nächsten Tisch erneut ins Gespräch zu kommen.

Elisabeth Röpfl (Mitte) war eine von sieben Kandidierenden, die in Waldram Wählerinnen und Wählern Fragen beantwortete. (Foto: Manfred Neubauer)

Siebenmal wird an diesem Abend das Prozedere wiederholt, denn aus Anlass der kommenden Europawahl am 9. Juni hat der Kolpingbezirksverband Bad Tölz-Wolfratshausen-Miesbach zu einem "Speed-Debating" eingeladen. An den Stehtischen im Pfarrheim St. Josef der Arbeiter in Wolfratshausen-Waldram konnten die Gäste Kandidierende unterschiedlicher Parteien mit ihren Fragen löchern. Alle acht Minuten klingelte der Wecker und es ging zum nächsten Tisch. An diesem Abend anwesend, weil sie sich zur Wahl stellen, waren Severin Eichenseher aus Bad Tölz (CSU), Elisabeth Röpfl aus Bayrischzell (FDP), Anton Steinbacher aus Unterwössen (FW), Andrea Wörle aus dem Ostallgäu (Bündnis 90/Die Grünen), Michael Stöhr aus München (ÖDP), Dinh Dat Hoang aus München (SPD) sowie Elisabeth Osiander aus Holzkirchen (Linke).

Die lokalen Kandidaten für die Europawahl (v.l.): Anton Steinbacher, Michael Stöhr, Dinh Dat Hoang, Elisabeth Röpfl, Severin Eichenseher, Elisabeth Osiander und Andrea Wörle. (Foto: Manfred Neubauer)

"Europa ist ein großes Friedensprojekt. Uns liegt es sehr am Herzen, dass zur Wahl gegangen wird", eröffnete der Vorsitzende des Kolpingbezirksverbands Franz Späth den Abend. Im Vorfeld der Veranstaltung habe man sehr gerungen, ob die AfD eingeladen werden solle oder nicht. "Wir haben das Für und Wider diskutiert, letztendlich hat das Wider überwogen", sagte Späth.

Obwohl sich die Veranstaltungseinladungen dezidiert an Erstwähler und -Wählerinnen gerichtet hatte, fanden sich nur wenige junge Erwachsenen unter den rund 30 Gästen wieder. "Wer ist unter 18 Jahre alt und wählt heuer zum ersten Mal?", fragte Moderatorin Verena Peck in die Runde und zählte vier erhobene Arme.

Moderatorin Verena Peck. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Anwesenden waren dafür umso interessierter. Tim, Jaron und Benjamin aus Wolfratshausen bewiesen bei ihrem Rundgang tagesaktuelles politisches Wissen und manch schlagfertigen Witz. Als es am Tisch der FDP-Kandidatin Elisabeth Röpfl darum ging, wie wichtig es sei, Mehrheiten in der Bevölkerung zu finden, konnte sich einer der drei 16-Jährigen den Kommentar "Damit hat die FDP ja eher Probleme" nicht verkneifen. "Uns gefällt die Veranstaltung. Der Austausch ist wichtig", zogen sie ein Zwischenfazit. Auch Severin Eichenseher fand lobende Worte. "Als Kandidat ist es meine Aufgabe herauszufinden, wo der Schuh drückt", sagte der CSU-Politiker. Mit seinem Listenplatz habe er zwar geringe Aussichten, tatsächlich in das Europaparlament einzuziehen, dennoch komme er gerne ins Gespräch. "Es schadet nie, sich für die europäische Idee einzusetzen", so der Tölzer.

Auch Severin Eichenseher (Mitte) aus Bad Tölz stellt sich zur Wahl - und stellte sich den Fragen der Wählerinnen und Wähler. (Foto: Manfred Neubauer)

Jede neue Gesprächskonstellation thematisierte verschiedene Diskussionsthemen. Die Dialoge wanderten von Verbrenner- und Dieselverbote über die Asylpolitik bis hin zur Wiedereinführung der Wehrpflicht. Nicht alles hatte einen direkten europäischen Bezug, so beschwerte sich beispielsweise ein Mann bei der Grünen Andrea Wörle über die hohen Ticketpreise der Bayerischen Staatstheater in München. Insgesamt blieb der Austausch aber an allen Stehtischen stets sachlich und respektvoll, Meinungsverschiedenheiten wurden diskutiert, ohne hitzig zu werden.

Moderatorin Verena Peck zog am Ende eine positive Bilanz. "Im Vergleich zum Beginn waren sich danach mehr Leute unsicher, wen sie wählen sollen", sagte sie zwar. Das aber hätte daran gelegen, dass "neue Parteien plötzlich attraktiv geworden sind", so Peck. Obgleich das nicht die Idee der Veranstaltung gewesen sei, habe sie eine Quintessenz daraus gewonnen: "Das bedeutet, dass es viele Gemeinsamkeiten gibt und man damit leben kann, wenn nicht die eigene Partei als Wahlsieger hervorgeht." Für Peck ist diese Haltung eng verbunden mit der Arbeitsweise der Europäischen Union. "Die EU besteht aus 27 Ländern, die auf einen Konsens kommen müssen. Kompromisse sind da vorprogrammiert", sagte sie.

Besonders schön sei für Peck jedoch eine Erkenntnis gewesen: "In Anbetracht der Weltlage ist Frieden ein hohes Gut, und alle anwesenden Parteien setzen sich dafür ein, diesen weiterhin zu wahren." In ihren Augen sei dies das größte Argument, um zur Wahl zu gehen.

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