Entdeckungen am Walchensee:Kaiser, Klausen und Kabale

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Beim Tag des offenen Denkmals öffnete unter anderem das Klösterl auf der Walchensee-Halbinsel Zwergern die Tür. Seine Entstehung ist ein Beispiel, mit welchen Mitteln der europäische Adel seinen Führungsanspruch untermauerte

Von Thekla Krausseneck, Kochel am See

Leicht zu finden ist das Klösterl nicht: Hinter dem Campingplatz am Walchensee beginnt ein schmaler Weg, der zu Fuß eine gute Viertelstunde am Wasser entlangführt. Zur einen Seite leuchtet der See türkisblau, auf der anderen Seite lädt der Wald zu einem ausgedehnten Spaziergang ein. Kein Wunder, dass sich viele Paare wünschen, im kleinen Sankt-Anna-Klösterl zu heiraten. Doch nur für wenige geht der Wunsch in Erfüllung - denn in dem schiefergedeckten Gebäude auf der Halbinsel Zwergern hat inzwischen die Jugend das Vorbelegungsrecht.

Kurfürstin Maria Antonia ließ das Klösterl erbauen - und ist auf dem Altarbild verewigt: Rechts als Dame, die einen Blumenstrauß reicht. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Am Sonntag aber, dem Tag des offenen Denkmals, konnten etwa 70 Interessierten das Kleinod und seine Geschichte entdecken. "Macht und Pracht" hieß das Motto in diesem Jahr. Michael Harzenetter schloss das Klösterl auf und erzählte Besuchern von der Entstehung des heutigen Jugendhauses, wie Adel und Kirche ihren Führungsanspruch auch mittels Architektur zum Ausdruck brachten - und warum auf dem größten Heiligenbild der barocken Kapelle auch die Kurfürstin Maria Antonia zu sehen ist. Der jungen Habsburgerin ist nämlich nicht nur die Entstehung des Klösterls zu verdanken, sie ist auch ein Indiz für die Machtspielchen, aus denen das Klösterl hervorgegangen ist.

Heute dient das Klösterl als Jugendhaus. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Maria Antonia war die Tochter des österreichischen Habsburgers Leopold I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Dieser gab das Mädchen als 16-Jährige an den bayerischen Kurfürsten Max Emanuel, zum Dank für dessen Hilfe bei der Befreiung Wiens von der Belagerung durch die Türken. Die Ehe mit Maria Antonia erwies sich als vielversprechend, denn durch ihre Mutter, die Kaiserin und spanische Infantin Margarete Theresia, ergab sich für einen möglichen Sohn ein Erbanspruch auf die spanische Krone. Und tatsächlich sollte viele Jahre später der Sohn Maria Antonias und Max Emanuels mit zwölf Jahren nach Spanien aufbrechen, um König zu werden. Er starb jedoch auf dem Weg an einer Krankheit.

Zum Tag des offenen Denkmals entdeckten rund 70 Interessierte das Kleinod und seine Geschichte. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Dabei war es eben dieser Wunsch nach einem Sohn gewesen, der Maria Antonia dazu veranlasste, das Klösterl zu Ehren der Heiligen Mutter Anna zu bauen. Der Priester Onuphrius, der nach einer Emeritenklause für die wachsende Gemeinschaft von Einsiedlern suchte, der er angehörte, überzeugte Maria Antonia davon, dass ein solches Gelübde zu einem männlichen Kind führen würde. Mit der Zustimmung des Propstes der Augustiner Chorherren in Schlehdorf, denen die drei Höfe auf Zwergern gehörten, wurde das Klösterl von 1689 bis 1691 errichtet - gegen den Willen des Klosters Benediktbeuern. Weil die Emeriten im Klösterl ihr eigenes Bier brauten, ging der Umsatz der Benediktbeurer zurück. Sie rissen deshalb wütend die Malzmühle der Emeriten ab und lösten damit einen Bierkrieg aus, den die Einsiedler womöglich für sich entschieden hätten, wäre die Kurfürstin nicht 1692 im Kindbett gestorben. Nur knapp 30 Jahre später stand das Klösterl zum Verkauf - und ging ausgerechnet an das Kloster Benediktbeuern.

Nach der Säkularisation wurde das Klösterl zur Schule. Der letzte Pfarrer Georg Magg verließ das Klösterl 1968. Dieses stand inzwischen unter Denkmalschutz, wurde aber nicht genutzt und obendrein von Vandalen geplündert. Um den weiteren Verfall zu verhindern, kaufte die Diözese Augsburg das Klösterl im Jahr 1979.

Die Kapelle ist inzwischen resaturiert: Zwölf kleine, kunstvoll-individuell gestaltete Apostelfiguren sind noch erhalten; eine Madonnenpuppe sitzt über dem Altar, darüber erhebt sich das Heiligengemälde mit Protagonisten der Bibelgeschichte - und einer vergnügt aus einer Nische herausblickenden Maria Antonia, "die aussieht, als gehöre sie gar nicht ins Bild", sagt Harzenetter, der seit 23 Jahren das Klösterl verwaltet. Machtkämpfe spielen sich in dem Selbstversorgerhaus für Jugendliche heute keine mehr ab, sondern Seminare, Freizeiten und Ministrantenausflüge.

© SZ vom 11.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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