Endlich in Sicherheit:Der schwere Weg nach Benediktbeuern

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Menase (links) und Johannes haben schnell Kontakt gefunden. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Flüchtlinge aus Eritrea und ihre deutschen Freunde feiern im Kloster ein Fest der Begegnung.

Von Erik Häußler, Benediktbeuern

Wenn in Benediktbeuern Oberbayern auf Eritrea trifft, dann trifft zum Beispiel der sechsjährige Johannes auf den neunjährige Menase. Keine Berührungsängste oder Vorurteile gibt es zwischen den Kindern, sie spielen gemeinsam am Rande des Begegnungsfestes im Klosterhof. Vor rund neun Monaten kamen die 14 Flüchtlinge aus Eritrea nach Benediktbeuern. Sieben weitere leben inzwischen in der Nachbargemeinde Bichl.

Ein langer Leidensweg liegt hinter ihnen, den die 27-jährige Gebriala Tesfemarijam beeindruckend beschreibt. Sie flüchtete mit ihren zwei Söhnen, einer davon ist Menase, und ihrer zu Beginn der Flucht erst sieben Monate alten Tochter aus dem autoritären Staat am Roten Meer. Mit den beiden Söhne an der Hand, der Tochter auf dem Rücken, verließ sie das Land. Der Vater war bereits tot, er kam in Eritrea ums Leben.

Über den Sudan, durch die Sahara, bis Libyen - zu Fuß, mit dem Auto oder Bus. Mehrere Jahre dauerte ihre Flucht, war geprägt von Hunger und Tod. Teilweise mehrere Tage war die Familie ohne Essen und Trinken. An der Küste Libyens bestiegen sie ein Boot mit 300 anderen Flüchtlingen - Ziel: Europa. Bei der dreitägigen Überfahrt seien Menschen gestorben, erzählt Tesfemarijam. Ihre Familie hatte Glück, sie kam bis Sizilien. Von dort ging es über Mailand bis nach München. Nach einem Monat in der Erstaufnahmestelle kam sie schließlich nach Benediktbeuern, bezog ein Zimmer im Energiepavillon am Rande des Klosters. Heute ist sie in Sicherheit und glücklich. "Ich liebe Benediktbeuern, viele Menschen helfen uns", sagt die Mutter strahlend. Wie die anderen Flüchtlinge kam die 27-Jährige ohne Deutschkenntnisse. Sie sprach ein paar Worte Englisch, die restlichen Flüchtlinge nur Tigrinya, eine der Sprachen Eritreas.

Ein "schwerer Weg", beschreibt Marlies Sitzberger-Jall die Aufgabe, vor der sie und die anderen Helfer standen, als sie den Flüchtlingen Deutsch beibringen wollten. Drei Mal wöchentlich wurden Buchstaben geübt, Hören und Sprechen gelernt. Nun spricht Tesfemarijam ganz gut Deutsch, kann sich unterhalten und auch ihre Geschichte erzählen.

Der Helferkreis Asyl entstand im Oktober 2014, noch bevor die ersten Flüchtlinge kamen. Heute sind mehr als 40 Helfer engagiert, unterrichten Deutsch, begleiten die Familien zu dringend nötigen Arztbesuchen, organisieren Fahrgemeinschaften. Rudi Mühlhans und seine Frau Tini Schwarm sind einen Schritt weiter gegangen. Sie haben einen 15-jährigen Flüchtling in Pflege genommen, der ohne Eltern in Deutschland angekommen ist. "Wir haben schon früher Bereitschaftspflege für Kinder übernommen. Als unsere Tochter ausgezogen ist und ein Zimmer frei wurde, kam der Impuls von Freunden, ob wir nicht ein Flüchtlingskind aufnehmen wollten", sagt Mühlhans. Der Sozialpädagoge ist überzeugt: "Dieses Modell gehört ausgebaut." Erfreut zeigt er sich vom Begegnungsfest im Klosterhof. "Man muss Herz und Hirn der Menschen erreichen." Deshalb organisierte er am Rande des Festes eine kleine Ausstellung mit Zahlen und Fakten zum Thema Flucht. Das Buffet mit bayerischen und eritreischen Spezialitäten vereinte beide Kulturen auch kulinarisch.

Viele kommen beim Fest auf Tesfemarijam und die anderen Flüchtlinge zu, es wird geredet und Hilfe angeboten. Diakon Hubertus Klingebiel weiß, dass es anfangs Berührungsängste gegeben habe. Gerade die Kinder, wie Johannes und Menase, konnten Brücken bauen. Menases Bruder, der zehnjährige Esrom, ist inzwischen Ministrant und verrichtete den Dienst am Sonntag im Festgottesdienst von Pater Heiner Heim. "Die Kinder sind die Sympathieträger", sagt Klingebiel.

© SZ vom 03.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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