Einsatz in Wolfratshausen:Summende Sippschaft

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Frühlingszeit ist Schwarmzeit für Bienen, die oft zu Tausenden eine neue Bleibe suchen. Imker Horst Wachtmann muss eins seiner Völker in einem Waldramer Garten wieder einfangen

Von Barbara Szymanski, Wolfratshausen

Dieser leicht auf- und abschwellende Brummton in Nachbars Garten, was ist das? Wahrscheinlich eine Drohne oder ein neuartiger Rasenroboter. Doch dann offenbart sich die Ursache für dieses merkwürdige Geräusch in unmittelbarer Nähe des ausgelassen blühenden Apfelbaums in lauer Frühlingsluft: ein Bienenschwarm, der sich an einem Föhrenast im Garten von Herbert Brustmann in Waldram zu einer fast 40 Zentimeter langen Traube zusammen ballt. Immer neue Bienen summen heran, und das eigenartige Gebilde schwillt an. Wie viele mögen das sein? Imker Horst Wachtmann aus Gelting weiß Bescheid: "Es dürften so um die 20 000 Tiere sein von der Apis Mellifera Carnica, der sogenannten Kärntner Honigbiene." Er kam herbei geeilt, um seinem Freund Brustmann zu helfen, der lieber äußerst praktische Bienenstände baut und die fachgerechte Pflege und Zucht seinem Bienenfreund Wachtmann überlässt.

Nun wird beraten und diskutiert. Zwei jüngere Nachbarn gesellen sich dazu. Sie haben wohl ein wenig Muße in dieser Corona-Zeit und freuen sich ganz offensichtlich über dieses tierische Abenteuer. Denn das Bienenvolk soll irgendwie runter vom Baum und dorthin zurück geführt werden, wo es vermutlich herkommt: zu Horst Wachtmann und seinen 14 anderen Völkern in Baierlach. Und überhaupt ist ein riesiger Pulk Bienen nicht wirklich beruhigend so nahe an den Schlafzimmerfenstern. Doch die summende Sippschaft hängt in gut acht Metern Höhe. Leitern werden herangeschleppt. Die Frauen der Bienenretter schütteln besorgt die Köpfe. Doch die Männer sind wild entschlossen. Das Volk muss in den bereit gestellten Schwarmfangkasten.

Woher weiß Wachtmann überhaupt, dass es eines seiner Völker ist? Er hat beobachtet, sagt er, dass sich in einem der Bienenwohnungen etwas tut und der Besatz weniger wird: Frühlingszeit, Schwarmzeit. Und so ein Volk fliegt natürlich gerne in den Brustmann'schen Garten, weil dort eine ganze Reihe von blühenden Bäumen steht. So ein Bienenumzug ist kein ungewöhnliches Ereignis für den 72-Jährigen, der seit neun Jahren das Hobby der Imkerei mit Leidenschaft betreibt, zur Freude seiner großen Familie, die er mit Honig und Wachs für Kerzen und anderem versorgt. Die jüngeren Nachbarn ziehen sich jetzt die typische weiße Schutzkleidung mit dem ausladenden Hut über. Die Bienenart ist zwar wenig aggressiv, aber man kann ja nie wissen. Brustmann sprüht auf Geheiß seines Freundes ein wenig Wasser in Richtung der Traube. "Die Bienen denken dann, es regnet und bleiben deshalb an Ort und Stelle", erklärt der Imker, der sich dem rührigen Geretsrieder Imkerverein mit Sitz in Buchberg angeschlossen hat.

Gleich mehrere Schwarmtrauben Bienen haben sich auf dieser Kiefer in Waldram bei Familie Brustmann gebildet. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die jungen Nachbarn fassen sich schließlich ein Herz, erklimmen die Leiter am Baum und halten den Auffangbeutel unter die summende Rasselbande. Brustmann bedient einen Astzwicker und immerhin plumpst ein großer Teil des Bienvolks in den Beutel. Den Inhalt verfrachtet Wachtmann sogleich in den Fangkasten. Doch vergebens. Die Tiere fliegen wieder zurück. Denn manche der Bienen wedeln an den Eingängen des Kastens mit dem Hinterteil, damit die anderen dem Duft der Königin folgen. Und die befindet sich ganz offensichtlich noch in der Traube am Baum. Sie ist zwar die umschwärmte Königin. Zu befehlen hat sie aber wenig . Die Immen üben nämlich echte Demokratie aus: Das Volk herrscht bei den Bienen. Es steuert die Königin, für sich selbst und ihre Untertanen eine neue Bleibe zu suchen. Erst erkundet der Vorschwarm die Lage, dann folgt der Hauptschwarm mit seiner Königin und ihrem Titel ohne Mittel.

Die ganze Aktion in Herbert Brustmanns Waldramer Garten dauert gute zwei Stunden. Denn erst wenn die Bienenkönigin im Fangkasten Platz genommen hat, summen alle herbei - bis in die Nacht hinein.

Dann ist Ruhe im Karton. Die Bienenfänger sind hochzufrieden mit ihrem Erfolg, der ohne nachbarschaftliche Hilfe und vereinten Kräften niemals gelungen wäre. Und Horst Wachtmann freut sich: "Die Bienen fangen hernach auf der Stelle zu arbeiten an und bauen Waben", sagt er. "Sie sind eben bienenfleißig." Zum Beweis hört man wieder den Brummton, dieses Mal im Fangkasten.

© SZ vom 25.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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