Eindrucksvolles Ensemble:Klangwunder aus Venedig

Lesezeit: 2 min

"Feierliches Requiem Venedig": Philipp Amelung und das junge "Theodor Schütz Ensemble" überzeugten in der Ickinger Auferstehungskirche. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Ickinger Konzertzyklus endet mit Requiem

Von Sabine Näher, Icking

Es ist längst eine Tradition: Der Ickinger Konzertzyklus, der heuer in die 18. Runde ging, endet am Totensonntag mit einem Konzert zum Thema Requiem. In diesem Jahr hatte der künstlerische Leiter Philipp Amelung Werke von Organisten und Kapellmeistern ausgesucht, die am Markusdom in Venedig wirkten. Aufgrund des witterungsbedingten Ausfalls von "50 Prozent der Altistinnen, genauer gesagt: einer Sängerin" musste Amelung das Programm kurzfristig noch ein wenig modifizieren. Insgesamt zwölf Sänger, vier Frauen- und acht Männerstimmen, fünf Bläser und ein Organist führten unter seiner kundigen Leitung eindrucksvoll vor, welchen Reichtum die Alte Musik zu bieten hat.

Zum einen ist ein Großteil des Repertoires noch zu entdecken, zum anderen sind Besetzung und konkrete Ausführung nicht so genau festgelegt, wie das in der Nach-Barock-Zeit zur Regel wird. Das eröffnet den Interpreten große Spielräume, wobei der Begriff durchaus wörtlich zu nehmen ist: Es lässt sich trefflich spielen mit unzähligen Möglichkeiten. Eine davon, die in der italienischen Renaissance zu wahrer Meisterschaft geführt wurde, besteht darin, den Raum miteinzubeziehen, so dass die Ausführenden nicht nur vorne oder auf der Orgelempore postiert sind, sondern sich verteilen. Dem Dirigenten erschwert das zwar seine Aufgabe, aber der Zuhörer, der sich plötzlich mitten im Klang befindet, erlebt ungeahnte Klangwunder.

Exemplarisch demonstriert hat Amelung diesen Effekt am Sonntag etwa bei Giovanni Gabrielis "Misericordia tua, Domine": Acht Sänger stehen im Altarraum, wo sich auch die Truhenorgel befindet, die Bläser sind hier unten und oben auf der Orgelempore verteilt, wo zudem noch ein weiterer Sänger platziert ist. Zunächst sind sechs Sänger der Orgel zugeordnet, zwei im Wechsel den Bläsern. Dann kommt der Klang von oben - und der endlich erfolgende Tutti-Einsatz wird zum überwältigenden Klangerlebnis.

Amelung dirigiert mit ruhigen, klaren Gesten. Er hat es mit Profis zu tun, bei denen er nicht überagieren muss. So wirkt er eher wie ein besonnener Koordinator, den die Klangmassen brauchen, der sich, wenn nur Sopran und Orgel musizieren wie in Claudio Monteverdis jubelnd beschwingtem "Laudate Dominum", aber auch völlig zurück zieht. Mit dem im Frühjahr 2017 von ihm gegründeten Theodor Schüz Ensemble hat Amelung junge Sängerinnen und Sänger zur Seite, mit denen er künftig zwei bis drei Programme jährlich einstudieren möchte. Da es nach nur einem halben Jahr Zusammenarbeit schon einen solch hervorragenden Eindruck macht, lässt das Ensemble Großes erwarten.

Dass die Sänger allesamt solistische Qualität haben, also alleine oder im kleineren Ensemble einzusetzen sind, aber dennoch gemeinsam einen homogenen Ensembleklang herstellen können, ist mittlerweile Standard in solchen Gruppierungen der Alten Musik. Auch die Bläser sind Spezialisten, die mit ihren historischen Instrumenten bestens umzugehen wissen. Die sprichwörtlichen Intonationsprobleme der alten Blasinstrumente, zwei Zinken und drei Posaunen, braucht man hier nicht zu fürchten, was die Musiker nicht nur im Zusammenwirken mit den Sängern, sondern auch in zwei rein instrumentalen Canzones von Claudio Merulo und Girolamo Frescobaldi eindrucksvoll unter Beweis stellen.

Der Titel "Feierliches Requiem aus Venedig" mag vielleicht insofern irregeführt haben, als man damit Trauermusik im heutigen Sinne assoziieren könnte. Doch zur damaligen Zeit bedeutete das vor allem einen festlichen Gestus, der den Zuhörer bewegen, aber weniger traurig als vielmehr froh und zuversichtlich stimmen sollte - geht es doch um den Weg ins ewige Leben. Wunderbar deutlich wurde das im letzten Stück "O Crux splendidor" von Andrea Gabrieli: "O Kreuz, heller als alle Sterne". Hier waren die einzelnen Sänger und Bläser einander direkt zugeordnet, standen auch nebeneinander und erzeugten einen perfekt gemischten, reichen Klang. Viel Beifall in der gut besuchten Auferstehungskirche in Icking und gelb-rosa Rosen von Bürgermeisterin Margit Menrad für Amelung und die Künstler.

© SZ vom 28.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: