Ein Plan für Wolfratshausen:"Wir werden weiterhin Klinken putzen"

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Assunta Tammelleo und der Kulturverein Isar-Loisach wollen das Schwankleck in Wolfratshausen als Kulturhaus für Lesungen, Ausstellungen und akustische Konzerte etablieren.

Von Stephanie Schwaderer

Mit einer fröhlichen Party hat der Kulturverein Isar-Loisach (KIL) am vergangenen Samstag das Wolfratshauser Schwankleck wiederbelebt. Während das Klaus Ammann Orchester auf der Straße aufspielte, lockten eine Ausstellung der ägyptischen Karikaturistin Doaa El-Adl und eine Lichtinstallation von Günter Klügl im Laufe des Abends an die 200 Gäste in den neuen "Kunstturm" am Obermarkt. Wie soll es nun weitergehen? Die SZ sprach mit der KIL-Vorsitzenden und "Hinterhalt"-Wirtin Assunta Tammelleo.

SZ: Frau Tammelleo, der "Hinterhalt" im Geltinger Gewerbegebiet ist einmal mehr durch einen Wasserschaden lahmgelegt. Was spricht dagegen, gleich mit dem ganzen Kleinkunstbetrieb ins Schwankleck zu ziehen?

Assunta Tammelleo: Wenn ich darüber nachdenke: nicht viel! Die Leute werden im Zeichen der Corona-Krise noch eine ganze Weile zurückhaltend sein, sich in geschlossene Räume zu setzen. Im Schwankleck gibt es in jedem Stockwerk Fenster, alles lässt sich gut lüften. Außerdem kann man zu Fuß hingehen, die S-Bahn ist in der Nähe, es gibt Parkplätze am Hatzplatz und rundherum jede Menge Gastronomie. Das alles wäre ideal. Konzerte mit verstärkter Musik, für die der "Hinterhalt" überregional bekannt ist, würden sich allerdings nicht realisieren lassen.

Weil sie zu laut wären?

Der Lärmschutz ist überall ein Problem, bekanntlich sogar im Geltinger Gewerbegebiet. Aber nicht nur deshalb. Im Erdgeschoss lassen sich - ohne Corona - allenfalls 40 Leute so unterbringen, dass jeder einen Blick auf die Bühne hätte. Für größere Konzerte, aber auch für Künstler, die von den Einnahmen leben müssen, ist das unattraktiv. Aber für kleinere Veranstaltungen wie zum Beispiel akustische Konzerte, Ausstellungen und Lesungen bietet sich das Schwankleck an. Mal sehen, was wir in den nächsten Wochen noch auf die Beine stellen werden. So ein Programm wie zum Auftakt wird es allerdings nicht mehr geben.

Wie viele Stunden ehrenamtlicher Arbeit steckten in der Eröffnungsfeier?

Hunderte. Die beiden treibenden Kräfte waren Andrea Weber und Günter Klügl. Aber auch viele andere Helfer haben sich eingebracht. Der Kreis der Aktiven umfasst derzeit 16 Leute. Es gab eine Menge zu tun, allein, was wir an Kleinmöbeln und Ausrüstung herbeischaffen mussten. Aber es hat alles geklappt. Stadtverwaltung und Polizei waren sehr entgegenkommend. Und der Unverpackt-Laden und das Eiscafé Cristallo von nebenan haben die Gastronomie übernommen, auch das hat gut funktioniert.

Sich mit den umliegenden Gastronomen zusammenzutun - das klingt nach einem ausbaufähigen Konzept.

Unbedingt, das wäre unser Plan. Wir wollen den Wirten ja nicht die Kunden abspenstig machen. Vielmehr könnten wir zusammenarbeiten und einen lebendigen Treffpunkt in der Stadt schaffen. Das Ganze steht und fällt allerdings mit der finanziellen Unterstützung, die der Verein bekommen wird.

Sie sitzen mittlerweile für die Grünen im Stadtrat. Wen werden Sie als Erstes zu überzeugen versuchen?

Die Verhandlungen mit der Stadt laufen schon längst. Das hat Günter Klügl federführend übernommen. Er steht als einer der beiden Projektleiter in Kontakt mit dem Stadtmanager Stefan Werner. Über die entsprechenden Anträge wird nach der Sommerpause abgestimmt. Ich glaube nicht, dass ich da besonderen Einfluss hätte, ich sitze nicht im Kulturausschuss, und das ist auch gut so. Aber neben der Stadt gibt es auch noch andere Sponsoren, auf die wir hoffen. Die Giordano-Bruno-Stiftung, der Bund für Geistesfreiheit und Privatpersonen wie Helmut Markwort haben uns schon bei der Eröffnung unterstützt. Wir werden also weiterhin Klinken putzen und bei Banken und der Sparkasse vorstellig werden, aber auch bei Wolfratshauser Firmen. Deren Mitarbeiter hören vielleicht auch gerne mal Musik am Abend.

Wie viel Geld bräuchten Sie, um einen kontinuierlichen Kulturbetrieb anbieten zu können?

Das kann ich nicht sagen. Allein bei der Werbung ist man schnell bei ein paar Tausend Euro. Dazu kommen laufende Kosten wie Miete, Strom, Versicherungen. Stars, die Hallen füllen, können wir uns ohnehin nicht leisten. Wir können Künstlern nur eine Aufwandsentschädigung anbieten und abends den Hut rumgehen lassen.

Wenn Sie finanziell freie Hand hätten: Wie sähe Ihr Entwurf für dieses Kulturhaus aus? Wer würde dort ausstellen? Wer aus und ein gehen?

Für die bildende Kunst ist Andrea Weber zuständig, sie hat da sicher schon einige Ideen. Mein Schwerpunkt liegt bei der Musik und beim Kabarett. Und da setzen wir als Verein nicht auf Mainstream, sondern auf kleinere und besondere Events. In der Pause könnte man dann beispielsweise mit einem Glas Prosecco vom Cristallo durch das Haus schlendern und sich Gemälde anschauen. Punkkonzerte hingegen wird es nicht geben. Das Kulturpublikum, das wir im Auge haben, ist eher die Generation Silberrücken.

Die Nachbarn haben also nichts zu befürchten?

Vor der Eröffnung haben wir sie natürlich informiert. Der Auftritt der Blaskapelle war ein einmaliges Ausrufezeichen. Und die Leute waren begeistert. Einige standen mit einem Glas in der Hand am Fenster. An einem Zuviel an Lautstärke wird die Wolfratshauser Altstadt sicherlich nicht sterben.

Warum haben Sie den Namen "Kunstturm" gewählt? Der "Kunstturm" steht ja schon auf der Tölzer Flinthöhe und wird vom Kulturverein Tölzer Land bespielt. Zudem gibt es im Wolfratshauser Gewerbegebiet den Nachtclub "Turm" und seit Kurzem auch den "Boodevaar-Turm", der, ehrlich betrachtet, genauso wenig ein Turm ist wie das Schwankleck.

Der Name ist uns in den Sinn gekommen, als wir uns ein Foto angeschaut haben. Aus der Perspektive des Fotografen hat das Schwankleck tatsächlich einen Turm.

Eher einen Erker.

Einen außergewöhnlichen Erker, der sich über zwei Etagen zieht. Aber vielleicht fällt uns noch ein besserer Name ein.

Der Verein residiert in diesem Monat zu Sonderkonditionen im Schwankleck. Verzichten die Eigentümer womöglich längerfristig darauf, die Immobilie gewinnbringend zu vermieten?

Die Familie Schille war von Anfang an sehr erfreut über unsere Pläne und sehr entgegenkommend. Dass dieses wunderbare Gebäude leer steht ist ja ein Drama. Wenn wir dort einen Kulturtreffpunkt installieren könnten, wäre das gewiss in ihrem Sinn.

Wie groß sind in Ihren Augen die Chancen, dass es diesen Treffpunkt in einem Jahr noch geben wird?

Dazu bräuchte ich eine Kristallkugel. Aber wenn wir nicht davon überzeugt wären, dass man mit Herzblut etwas voranbringen kann, hätten wir schon längst aufgegeben.

© SZ vom 21.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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