Ein Füllhorn an Inspirationen:"Verstehen durch Anschauen"

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Florian Hüttner stellt erstmals selbst in der Tölzer Wandelhalle aus. Und liefert den Besuchern eine ganze Landschaft voller rätselhafter Kunstobjekte. "Erklär mal schnell" gibt es bei ihm nicht

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Die lange Wandelhalle wirkt wie eine gestaltete Landschaft: Große Zeichnungen bedecken den Boden, sie sind in einem Holzgehege eingezäunt. Ein Treppenturm führt nach oben und eröffnet eine zusätzliche Perspektive. An den Wänden weisen Skizzenblätter den Weg kreativer Schaffensprozesse. Videos und Radiosequenzen beleben diese künstliche Landschaft mit bewegten Bildern und Geräuschen. Bemalte Kisten stehen als Skulpturen im Raum, sie sind Gebrauchsgegenstände und zugleich Kunstobjekte. Die Ausstellung von Florian Hüttner mit dem Titel "super/bad Tölz" schüttet ein Füllhorn an Inspirationen aus - nicht alles erschließt sich, aber alles macht neugierig. Wer sie besucht, muss Zeit mitbringen und sich einlassen. Denn eines mag der Tölzer Künstler nicht: "Dass Leute zu mir sagen, so jetzt erklär mir mal schnell, was du damit sagen willst."

Seit Jahren holt Hüttner, der an der Akademie der Bildenden Künste in München und in Hamburg studiert hat, international bekannte Künstler in die Kurstadt; für das Projekt "HALLE-Politik" etwa Mark Dion aus New York oder die renommierte Fotokünstlerin Katharina Sieverding. "Künstler, die sonst nie hierher gekommen wären und mit denen ein internationales Publikum erreicht wurde", wie Jodquellen-Chef und Hausherr Anton Hoefter bei der gut besuchten Vernissage am Samstag sagte.

Florian Hüttner hat die 110 Meter lange Wandelhalle - einst eine Trinkkurhalle - in eine Landschaft aus Kunstobjekten verwandelt. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Seit sechs Jahren betreibt Hüttner zusammen mit dem Künstler Till Krause in der Wandelhalle eine Zweigstelle der Hamburger Galerie für Landschaftskunst als "GFLK Halle Süd". Dass Hüttner nun selbst eine Werkschau in seiner Heimatstadt präsentiert, sei längst überfällig gewesen. Die Auseinandersetzung mit Umgebung und Landschaft, der Versuch, das Erlebnis von Stadt, Land, Fluss durch künstlerische Mittel zu erschließen, das sei der Antrieb des Freundeskreises GFLK, sagte Stephan Dillemuth, Professor an der Münchner Kunstakademie und Mitglied dieses Kreises. "Jeder Kunsthistoriker, der sagt, Kunst sei im Alleingang möglich, der lügt."

Und so weist denn auch eine Gemeinschaftsarbeit der drei den Weg in diese anregende Ausstellung: ein Guckkasten-Theater, bei dem sich wie von Zauberhand der rote Vorhang öffnet. Zu sehen ist das Video über eine Performance. Titel: Die "Große Emscher Teufelsaustreibung". Eine schelmische Jahrmarkt-Atmosphäre entfaltet sich, angefeuert durch zwei Musikanten mit Fiedel und Akkordeon. Bunt und laut ist diese kleine Welt in der großen Wandelhalle, dann wieder leise und dunkel. Hinter dem Gehege ist ein Raum aus Stellwänden entstanden; Zeichnungen von Innenräumen, Wohnzimmern, Sofas, die mit brauner Farbe übersprüht sind. Das Behagliche wirkt gestört, den Bildern wurde Gewalt angetan. Ganz anders der Innenraum: Mittig sind vier großformatige, filigrane Zeichnungen angeordnet, dichte Baumreihen, Gartenszenerien. Nichts stört die Harmonie, alles ist gut.

Der Titel der Ausstellung ist ein Spiel mit englischen Worten: "super/bad Tölz". (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das Offenlegen von Dingen, "die man auf den ersten Blick nicht sieht", das will Hüttner mit seinen vielfältigen Arbeiten und unterschiedlichen Techniken erreichen. Die Atmosphäre des Dortmunder Westends fängt er mit einer Bilderserie ein: Farbstarke Impressionen - ein Kiosk, Müll neben dem Eimer, ein Gullydeckel, ein Schild mit der Aufschrift "Dortmunder Fanshop", der Finger an einem Handy-Display. Sie korrespondieren mit Sounds, die Hüttner in diesem Revier aufgenommen hat, etwa in einem Obdachlosenheim.

Auf der Rückseite der Stellwände dann wieder "ganz was Stilles", wie Hüttner sagt. Auf DIN-A-4-Blättern kleine runde Ausschnitte mit Skizzen albtraumhafter Motive: Ratte, brennende Fackel, ein Galgen mit einem Gehenkten. Sein Zugang zu Themen sei "simpel", sagt der Künstler. "Verstehen soll man die Bilder durch das Anschauen."

Weil es Hüttner wichtig ist, auch über Künstlerkollegen "etwas zu machen", schließt die Ausstellung im hinteren Teil mit Videodokumentationen, die in einer Wohnzimmerszenerie und vor bemalten Theatervorhängen gezeigt werden. Auch die Bilderkisten werden zu Protagonisten seiner Filme; sie treiben, bemalt mit Hamburger Hafenansichten, auf Flüssen: Auf Neckar, Süderelbe, Isar und Rißbach. Objekte, die Teil der Landschaft werden und ihren Gegebenheiten ausgesetzt sind. Besonders spannend sei das am Rißbach, sagt Hüttner. "Denn der war gnadenlos."

Seit vielen Jahren holt Florian Hüttner international bekannte Künstler nach Bad Tölz. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Ausstellung Florian Hüttner, Wandelhalle, Ludwigstraße 14, Bad Tölz; bis 22. Oktober, geöffnet mittwochs bis sonntags 16 bis 19 Uhr

© SZ vom 10.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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