Ein Chef, der weiß, was er will:"Diminuendo, bitte!"

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Am Samstag gibt Henri Bonamy seinen Einstand als Dirigent beim Philharmonischen Orchester Isartal. Besuch einer Konzertprobe

Von Susanne Hauck, Icking

Es sind nur noch wenige Tage bis zur ersten Bewährungsprobe. Am Samstag, 6. April, tritt Henri Bonamy mit dem Philharmonischen Orchester Isartal auf die Bühne der Loisachhalle. Ein ganzer Saal wird den neuen Dirigenten unter die Lupe nehmen und ihn mit seinem Vorgänger vergleichen, dem viel gelobten Christoph Adt, der das Ensemble 17 Jahre lang prägte. Kein Grund für Bonamy, nervös zu sein. "Alles eine Frage der Vorbereitung", winkt der 39-Jährige nonchalant ab.

Am Sonntag vor dem Konzert ist die Luft schon am Vormittag zum Schneiden dick. Seit 10 Uhr proben an die 60 Musiker in der Aula des Ickinger Rainer-Maria-Rilke-Gymnasiums. Überall stehen Instrumentenkoffer aufgeklappt herum, hängen Notentaschen an den Garderobenhaken. Vorne sitzt Bonamy in Jeans und einem gestreiften Sweatshirt. Die Kleidung mag leger sein, die Arbeitsatmosphäre ist es nicht. Geübt wird der dritte Satz von Brahms' Violinkonzert in D-Dur.

Wer jemals bei einer Probe dabei war, weiß: Das Einstudieren ist für die Musiker mühsamer und schweißtreibender als das Konzert, wo auf Teufel komm raus durchgespielt wird. In der Probe läuft es ganz anders: Immer und immer wieder unterbricht der Dirigent nach wenigen Augenblicken mit einem Zeichen, der Klang erstirbt. "Nochmal bitte!", ruft Bonamy mit leichtem französischem Akzent, der braune Haarschopf fällt ihm in die Stirn, die Finger schnipsen den Takt. Die Musiker setzen wieder an, nachdem er die heikle Stelle erklärt hat. "Schon besser, aber es klingt immer noch zu hart", heißt es kurz darauf freundlich, aber auch bestimmt.

"Geht es etwas mehr diminuendo", fragt Bonamy bei den Hörnern nach, schickt ein "Mehr agieren!" in Richtung Bässe und ein "Nicht zu laut und weniger Bogen" zu den Geigen. Ein erstes Fazit: Der neue Orchesterchef ist kein Kumpeltyp, kein bon ami, wenn man das Wortspiel mit seinem Nachnamen bemühen möchte. Als Kapellmeister tritt er diszipliniert, selbstbewusst und anspruchsvoll auf. Die natürliche Autorität des 39-Jährigen speist sich aus einer offensichtlich tief gehenden musikalischen Expertise. Bonamy wurde in Hannover geboren und ist bei Paris aufgewachsen. Mit Anfang 20 ging er für ein Klavier- und Dirigierstudium nach München. Seinen Brahms jedenfalls kennt er in- und auswendig, weiß sogar, wo sich der Komponist in der Partitur verschrieben hat.

15 Minuten Pause. Zeit für ein paar Fragen an den Dirigenten, der seit Januar wöchentlich mit dem Orchester probt. Welchen Eindruck hat er von den Musikern? "Gut vorbereitet", lobt Bonamy. Was sagt er zur Programmauswahl, die noch vom Vorgänger stammt? "Ein schönes deutsch-französisches Repertoire, sehr abwechslungsreich, mit einer selten gespielten Ouvertüre von Schubert, dann dem Brahms, und auf die beiden Romantiker folgt der weniger gewichtige, opernhafte Bizet." Wie würde er sich selbst als Dirigent beschreiben, eher ruhig wie Claudio Abbado oder quirlig wie Simon Rattle? Die Antwort nimmt ihm Solistin Charlotte Veihelmann ab, die neben ihm sitzt. "Präzise würde auf ihn gut passen." Und was will er erreichen? "Fürs erste geht es um die Einheit und die Psychologie des Orchesters", sagt er. Derzeit befänden sie sich noch im Kennenlern-Prozess. "Wir wollen in Ruhe arbeiten und aufeinander hören." Zugleich seien sie dabei, das neue Programm zu entwickeln.

"Wir sind sehr glücklich mit ihm", sagt Ruth Lackner, Kontrabassistin und Schriftführerin des Isartaler Konzertvereins. "Er ist jung, aber er hat schon viel Erfahrung." Von den 50 Bewerbern, von denen vier zur Probe dirigieren durften, sei er der klare Favorit des Orchesters gewesen.

"Jetzt bitte tutti, alle zusammen", fordert Bonamy die Musiker nach der Pause auf. "Und daran denken, es muss weich sein und fließen!" Das Orchester setzt ein, entfaltet den vollen Klang der Schlussakkorde des dritten Satzes. Der Maestro ist zufrieden: "Das war sehr schön, danke."

Samstag, 6. April, 19.30 Uhr, Loisachhalle Wolfratshausen, Franz Schubert: Ouvertüre e-moll DV 648, Johannes Brahms: Konzert für Violine und Orchester D-Dur, op. 77, Georges Bizet: Aus den L'Arlésienne-Suiten Nr. 1 und 2.; Solistin Charlotte Veihelmann (Violine)

© SZ vom 04.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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