Ein besonderes Ehrenamt:In Würde sterben dürfen

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Vögel im Freien beobachten und am Beispiel von Plüschtieren erkennen: Das ist ein neues Projekt im "Haus Elisabeth". Hier Heimleiter Alexander Streb mit Mitarbeiterin Swetlana Eigenseer (r.), Pflegedienstleiterin Julia Augner (l.) und den Partnerinnen vom Hospizverein, Gabi Leinauer (2.v.l.) und Elke Holzer (M.). (Foto: Hartmut Pöstges)

Das "Seniorendomizil Haus Elisabeth" in Geretsried kooperiert mit dem Christophorus-Hospizverein. Die Helfer bringen das wichtigste Geschenk mit: Zeit

Von Felicitas Amler, Geretsried

Jeden Monat sterben an der Johann-Sebastian-Bach-Straße 16 in Geretsried drei Menschen. Das ist die Statistik. Und so ist das eben in einem Altenheim, auch wenn solche Einrichtungen heutzutage "Seniorendomizile" heißen. Der älteste der 135 Bewohner des Domizils mit dem Namen "Haus Elisabeth" in Geretsried ist 95 Jahre alt. Und die Tendenz, so erklären Heimleiter Alexander Streb und Pflegedienstleiterin Julia Augner, gehe dahin, dass immer mehr Menschen erst in jener Zeit ins Heim kommen, wenn sie dem Tod näher sind als dem Leben.

Streb und Augner sagen, sie spürten, wenn es bei einem der Bewohner ans Sterben gehe - am körperlichen wie am geistigen Zustand, am Rückzug ins Innerliche. Manche, sagt Streb, sprächen es ganz direkt an: Dass es nun genug sei. Dann beginnt, was der Heimleiter "die palliative Phase" nennt: Der Versuch, dem Menschen bis zuletzt ein Leben ohne Schmerzen und in Würde zu ermöglichen. Oder, wie die Begründerin der Hospizbewegung, Cicely Saunders, es formuliert hat: " ... und wir werden alles tun, damit Sie nicht nur in Frieden sterben, sondern auch bis zuletzt leben können." Das Haus Elisabeth hat dafür neben dem eigenen Personal neuerdings kundige Helferinnen. Denn es hat soeben mit dem Christophorus-Hospizverein Bad Tölz-Wolfratshausen eine Kooperationsvereinbarung geschlossen.

Der Verein hat 40 fachlich qualifizierte und ehrenamtlich tätige Hospizhelferinnen - es gibt auch ein paar wenige Männer, aber hier wie oft im Sozialen sind die Frauen eindeutig in der Mehrzahl. Sie kommen, wenn sie gerufen werden, sei es von Angehörigen eines Sterbenden oder eben vom Heim. Was sie zu bieten haben, nennt Elke Holzer, Krankenschwester, Palliative-Care-Fachkraft und hauptamtliche Koordinatorin im Verein, "oft das wichtigste Geschenk": Zeit. Hospizbegleiter sind einfach da, hören zu, lesen vor, spielen oder singen gemeinsam mit dem betreuten Menschen oder blättern mit ihm oder ihr in einem alten Fotoalbum, um in Erinnerungen zu kramen. Bei alten Männern sei häufig noch der Krieg ein Thema - und die Hospizbegleiterin hört sich auch die Geschichten an, die mancher der Angehörigen womöglich nicht noch zum hundertsten Mal aushalten würde. Wie Holzer überhaupt von einer Entlastung sowohl der Personals als auch der Angehörigen spricht. "Einfach ein offenes Ohr haben", so sieht ihre Kollegin Gabi Leinauer, Sozialpädagogin, Trauerbegleiterin und ebenfalls im hauptamtlichen Team, die Aufgabe der Hospizbegleitung. Es könne sogar sein, dass in konfliktbelasteten Beziehungen zwischen dem Sterbenden und Angehörigen die neutrale Begleiterin hilfreich sei. Die Familien seien jedenfalls oft sehr dankbar. Annähernd drei Viertel der Bewohner des Hauses Elisabeth seien dement, sagen die Verantwortlichen. Sie kämen häufig erst dann ins Heim, wenn die Verwandten, die sie zu Hause pflegten, völlig am Ende seien. Denn einen demenzkranken Menschen zu Hause zu betreuen, das sei oft eine starke Überforderung. Gleichzeitig stellen Streb und Augner fest, ihre "Klientel" werde immer anspruchsvoller: "Die Nachfrage nach Beschäftigung steigt." Das Haus bietet daher ein vielfältiges Programm, vom Kegeln bis zum Backen, fast jeden Monat ein Fest, Stammtische für Männer und Frauen, außerdem eine Vogelbeobachtungsstation. Das Angebot in Kooperation mit dem Landesbund für Vogelschutz ist fast so neu wie die Zusammenarbeit mit dem Hospizverein. Dem Leben zugewandt sind beide Projekte, das eine freilich mehr nach außen gerichtet, das andere mehr nach innen.

© SZ vom 12.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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