Ehrung für eine Lebensleistung:Der Meister der Schützen

Lesezeit: 2 min

Herbert Mieseler hat den Schießsport in Geretsried maßgeblich aufgebaut

Von Thekla Krausseneck, Geretsried

Kaum zu glauben, dass es früher einmal anders war. Die Wände hängen voll mit großen und kleinen Scheiben; in einer langen Hängevitrine stehen Hunderte Pokale; dazwischen lassen gerahmte Fotos in die Vergangenheit blicken. Eines aus dem Jahr 1978: Herbert Mieseler, 46 Jahre alt, posiert mit dem damaligen Bürgermeister Heinz Schneider und dem Schützenmeister von Tegernbach. 1977: Eine große Gruppe Menschen steht vor dem Geretsrieder Rathaus, Besuch aus anderen Vertriebenenstädten, die zu einem Vier-Städte-Schützenturnier angereist sind. Und eine Urkunde vom Mai 2017: Waldkraiburg, Neutraubling, Traunreut und Geretsried würdigen Mieseler dafür, dass er die Tradition des Städteturniers 40 Jahre lang als Schützenmeister begleitet hat.

Heute wird Mieseler für sein langjähriges Engagement geehrt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Zwischen diesen Erinnerungen sitzt der heute 82-jährige ehemalige Geretsrieder SPD-Stadtrat, und alles um ihn herum wirkt, als gäbe es das Schützenheim schon immer. Dabei liegt eine bewegte Geschichte hinter dem Verein, der erst jahrelang durch die Stadt vagabundieren musste, bis er endlich - und nicht ohne Konflikte - sein eigenes Heim bekam. 56 Jahre lang, also die meiste Zeit, bekleidete Mieseler das Amt des Schützenmeisters. Bei den Neuwahlen im März hat er es an seinen Nachfolger Karl Werder abgegeben. Der Verein ehrt Mieseler an diesem Freitag für seine "außerordentliche Lebensleistung" in einem Festakt, dem auch Bürgermeister Michael Müller beiwohnen wird.

Der 46-jährige Herbert Mieseler traf 1976 zusammen mit Bürgermeister Heinz Schneider auf den Tegernbacher Schützenmeister Sigmund Prummer. (Foto: Privat)

Begonnen hat alles bei der Freiwilligen Feuerwehr Geretsried. Nach dem Krieg fand sich dort eine Gruppe von Hobbyschützen, die sich bald auf die Suche nach einem eigenen Raum zum Schießen machte. Mieseler kam als 17-Jähriger zur Feuerwehr, sein späterer Schwiegervater gehörte den Schützen an. Diesen schloss sich Mieseler mit Mitte 20 an. Die Schützen waren zu diesem Zeitpunkt noch kein Verein: Erst Bürgermeister Karl Lederer legte Mieseler die Eintragung nahe, denn nur mit dem Status als Verein konnten die Schützen städtische Fördermittel empfangen. Eine feste Bleibe hatten sie danach trotzdem noch nicht. Sie schossen im Keller der Gaststätte Korb in Gartenberg, dann im Wirtshaus Friedrich in Stein, wo - heute unvorstellbar - gleich neben der notdürftig abgetrennten Schießbahn die Gäste an Tischen saßen und Karten spielten. Als der Gastwirt Friedrich aufhörte, kam der Wechsel zu Böhm auf der Böhmwiese, bis das Wirtshaus abbrannte. Am Ende strandeten die Schützen im Bürgerstüberl Schindler, der den Keller zu einem Schießstand ausbaute und ihnen diesen für zehn Jahre überließ. Als der Wirt starb und eine Verwandte das Gasthaus übernahm, sollte plötzlich Miete fällig werden, 2500 D-Mark im Jahr. "Das haben wir nicht aufgebracht", sagt Mieseler. In anderen Gasthäusern war es nicht anders, die Dinge hatten sich verändert, alle wollten ein Geschäft machen. "Da standen wir vor dem Nichts."

Also traf Bürgermeister Schneider eine Entscheidung - und gab den Schützen einen alten Munitionsverladebunker in der Jahnstraße. "Macht's was draus", soll er gesagt haben, erzählt Mieseler. "Und ein jeder hat mitgeholfen." Die letzte Hürde war ein Konflikt mit dem Landratsamt: Weil die eifrigen Schützen Schneiders Aufforderung ein bisschen zu wörtlich nahmen und Fenster in den Bunker brachen, avancierte dieser prompt zum Schwarzbau. Rathaus und Landratsamt konnten sich aber einigen, und das Vereinsleben begann zu florieren. Im Schützenheim wurde nicht nur geschossen, sondern auch gekartelt und politisiert. "Wir haben hier viel erlebt." Doch fast alle Mitglieder der ersten Stunde seien bereits gestorben. "In diesen Räumen steckt so viel Herzblut", sagt Mieseler. "Da muss man mich schon erschlagen, dass ich weggehe."

© SZ vom 10.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: