Ebenhausen: Gasthof zur Post:Im Saal wird nicht mehr getanzt

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Der neue Wirt ist überfordert - und die Vereine stehen auf Straße: Im Ebenhausener Gasthof zur Post gibt es jede Menge Probleme.

Ingrid Hügenell

Das Gasthaus zur Post in Ebenhausen ist ungefähr 300 Jahre alt, schätzt Johannes Widmann. Er hat es kürzlich von seinem Vater übernommen. Seit der Säkularisation 1803 ist es im Familienbesitz, 17 Jahre zuvor hatte Johann Wolfgang von Goethe hier auf seiner Reise nach Italien Rast gemacht. Das mächtige alte Gebäude mit dem Giebel liegt an der Bundesstraße 11. Seit 100 Jahren erstreckt sich entlang der Straße der Anbau mit dem Saal im Erdgeschoss. Er ist bei den Vereinen der Umgebung für Tanzveranstaltungen beliebt. Doch Widmann bewirtschaftet ihn nicht mehr, Veranstaltungen werden abgesagt.

Im Gasthaus (links) werden Gäste bewirtet, doch den Postsaal (rechts, im Erdgeschoss) muss man für Veranstaltungen mieten. (Foto: Hartmut Pöstges)

Malereien von Postillionen und Kutschen schmücken die Wände des Saals. Sie wirken wie frisch gemalt, sind aber 40 Jahre alt, erzählt Widmann. Der Saal ist quadratisch, hat eine Empore, eine Bühne und Platz für gut 200 Besucher. Um die grauen, blau umrandeten Säulen seitlich des Eingangs laufen schmale Bänke. Die Säulen könnten gut ein bisschen Farbe brauchen, ebenso wie der schwere, graublaue Bühnenvorhang mit den Goldbordüren, eigentlich ein teures Stück, dringend gewaschen werden müsste.

Alles atmet einen leicht angestaubten Charme. Man muss nur ein wenig die Augen zusammenkneifen, um sich fröhliche Feste und rauschende Bälle in dem Saal vorzustellen, ebenso wie viel belachte und -beklatschte Theatervorstellungen. All das hat es dort auch gegeben, erzählt Widmann, und nach dem Krieg war der Saal einige Jahre ein Kino. Doch nun könne er den Saal nicht mehr selbst bewirtschaften, sagt der 41-jährige Wirt. Zu aufwendig sei das. Nur zu dritt, manchmal zu viert seien sie in dem Gasthof, der sechs Tage pro Woche geöffnet hat. Einen Biergarten und 15 Hotelzimmer gibt es obendrein. Widmann kocht selbst.

Zuverlässiges Personal für Feste zu finden, sei schwer, koste Zeit, "das ist mir zu viel", sagt der schlanke, knapp mittelgroße Mann, der Metzger und Koch gelernt sowie die Hotelfachschule absolviert hat. Nun hat Widmann den Vereinen angeboten, den Saal zu mieten und die Gäste selbst zu versorgen. Schänke und Geschirr stelle er zur Verfügung. "Wenn zehn junge Leute vom Verein mitarbeiten, müsste das schon gehen", meint er.

Die Trachtler zum Beispiel haben das Angebot abgelehnt. So gab es am gestrigen Ostermontag keinen Ostertanz. Die Saalmiete von 800 Euro übersteige die Mittel des Vereins, erklärt der Vorsitzende Peter Ossner. Denn auch die Musik müsse bezahlt werden. In den vergangenen Jahren habe man oft bekannte Musikanten gehabt wie Karl Edelmann oder die Rotofen-Musi. Die kosteten so um die 1000 Euro pro Abend.

Und auch wenn heuer die Musik nicht ganz so teuer gewesen wäre - das Risiko sei sechs von neun Vorstandsmitgliedern unkalkulierbar erschienen. Man habe deshalb beschlossen, den Ostertanz ganz ausfallen zu lassen, seufzt Ossner. ,,Traurig, enttäuscht und verärgert'' - so beschreibt er die Stimmung im Verein. Der Vorstand hatte gehofft, weniger zahlen zu müssen als die örtliche Raiffeisenbank, die den Saal für ihre jährliche Mitgliederversammlung gemietet hat. Jedoch: Widmann habe "sich nicht erweichen lassen."

Dass der Wirt dem Verein nicht entgegenkam, versteht Ossner nicht. Dabei, meint er, hätte der doch eine moralische Verpflichtung, den Vereinen den Saal zu angemessenen Konditionen zur Verfügung zu stellen. ,,So viel Geld kann man mit dem Eintritt nicht hereinholen'', sagt er. 200 bis 250 Leute seien jährlich zum Ostertanz gekommen, die Veranstaltung sei nun, nach etwa 15 Jahren, bekannt und eingeführt. Um so bitterer ist es für die Trachtler, dass sie nun ausfallen musste. Den Hoagarten, den die Trachtler alljährlich im Herbst abhalten, haben sie in die Schäftlarner Einkehr verlegt.

Wie es weitergeht mit dem Postsaal, ist ebenfalls ungewiss. Hans Dondl jedenfalls, der einige Jahre lang den Operettenball des Ickinger Wintersportvereins und des Tennisclubs dort organisiert hat, bekam von Widmann den Bescheid, für 2012 nicht buchen zu können. "Ich weiß nicht, was nächstes Jahr ist", sagt Widmann. "Wenn wir da nicht mehr reinkommen, ist das ein Problem", sagt Dondl.

Die Wolfratshauser Loisachhalle wäre für den Ball mit 220 bis 250 Besuchern zu groß, das Vereineheim Dorfen hingegen zu klein. Auch die Säle in Aufkirchen und Höhenrain wären zu klein, sagt Dondl. Und Ascholding, das einen Saal in der passenden Größe hätte, sei zu weit weg. "Wir würden es sehr, sehr bedauern, wenn wir den Operettenball nicht mehr machen könnten." Er hoffe, dass Widmann sich der "kulturellen Tradition bewusst" werde.

Widmann würde gerne die Tradition aufrecht erhalten. Derzeit aber drücken ihn andere Sorgen: Das Gasthaus mit über 100 Plätzen muss am Laufen gehalten werden. Dafür suche er einen Partner und irgendwann mehr zuverlässiges Personal. Das aber sei schwer zu finden. "Der Vater hat das versandeln lassen", ist im Dorf zu hören. "Und der Junge hängt jetzt in der Luft." Denn er habe den Gasthof vom Vater nur gepachtet.

© SZ vom 26.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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