Dietramszell:Eine Entschuldigung, aber kein Schuldbewusstsein

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Georg Lindmeyr sieht sich für das symbolische Erhängen des Aktionskünstlers Kastner während einer Faschingsveranstaltung eigentlich nicht verantwortlich. Dennoch sagt er, er habe sich entschuldigt.

Von Petra Schneider, Dietramszell

Nachdem der Münchner Aktionskünstler Wolfram Kastner Anzeige bei der Staatsanwaltschaft München II gegen Georg Lindmeyr erstattet hat, hat dieser sich am Mittwoch entschuldigt. Man habe Kastner zu keiner Zeit verunglimpfen wollen, schreibt er in einer E-Mail. "Ich und der Trachtenverein entschuldigen uns für diese 'blöde' Aktion mit der Puppe am Galgen". Man habe lediglich den Galgen auf dem Misthaufen aufgestellt, wie das bei der Dietramszeller Bettelhochzeit üblich sei. Wer die Strohpuppe mit der Aufschrift "Aktionskünstler, Obacht gem" aufgehängt habe, das wisse man nicht, versichert Lindmeyr. Kastner, der im Juli die Hindenburgbüste vom Kloster abgeschraubt hatte, will an seiner Klage festhalten. Er fühle sich durch die Aktion bedroht, sagt er auf Nachfrage. "Das hat mit deftigem bayerischen Humor nichts mehr zu tun."

Lindmeyr, Vorsitzender des Trachtenvereins Edelweiß, der die Bettelhochzeit am Faschingsdienstag veranstaltet hatte, bedauert den Vorfall. Er habe mehrmals bei Kastner angerufen, um die Sache klarzustellen, aber auch auf seine E-Mail keine Rückmeldung erhalten. "Das mit der Strohpuppe hat uns nicht gefallen, und wir hätten es nicht gemacht", betont Lindmeyr. Bei der Probe am Vorabend sei die Puppe noch nicht am Galgen gewesen.

Erst im Lauf seines Vortrags als "Hochzeitslader" habe er sie bemerkt und realisiert, wer damit gemeint sei. Noch während der "Hochzeitszeremonie" habe man die Puppe abgehängt. Lindmeyr ist sich sicher, dass Dreiviertel der Besucher diese gar nicht gesehen hätten. Überhaupt sei das Thema Hindenburgbüste und Kastner im "Jahresrückblick" nur kurz gestreift worden: Als Unwort des Jahres habe man "Aktionskünstler" ausgerufen und eine Fürbitte verfasst: "Aktionskünstler - nix für uns".

"Wenn jemand beleidigt sein könnte, dann Bürgermeisterin Leni Gröbmaier", findet Lindmeyr. Denn die habe man bei der Faschingsveranstaltung richtig rangenommen. Kastner gegenüber sei er sich jedenfalls keiner Schuld bewusst. "Der Verein kann doch nicht für etwas verantwortlich gemacht werden, womit er nichts zu tun hat."

Viele Anrufe von Dietramszellern habe er bekommen, sagt Lindmeyr, die ihm den Rücken gestärkt hätten. Und ein Rechtsanwalt habe angeboten, die Verteidigung kostenlos zu übernehmen.

Kastner will sich mit der Entschuldigung Lindmeyrs nicht zufriedengeben. Die Rechtfertigungen in der E-Mail hält er für eine "Schutzbehauptung". Er könne sich nicht vorstellen, dass niemand wisse, wer die Strohpuppe angebracht habe. Als Vereinsvorsitzender trage Lindmeyr die Verantwortung für die Veranstaltung. "Da soll jetzt die Staatsanwaltschaft ermitteln", sagt Kastner. Er sieht keine Veranlassung, Lindmeyr zurückzurufen oder auf dessen E-Mail zu reagieren. Für ihn sei die Sache mit der Strohpuppe "perverser Galgenhumor" und nicht lustig.

"Humor und Satire darf alles Mögliche", sagt Kastner. Eine Grenze sei aber überschritten, wenn jemand bedroht werde. "Die Dietramszeller haben offenbar nicht verstanden, dass in einer Demokratie unterschiedliche Meinungen vertreten werden dürfen, ohne dass man Menschen deswegen anfeindet, vertreibt oder bedroht."

Kastner hatte die Büste im vergangenen Sommer demonstrativ abmontiert und Hindenburg als Steigbügelhalter der Nazis gekennzeichnet. Die Gemeinde Dietramszell dagegen erwägt noch immer, wie sie mit dem Thema umgehen soll. Die jüngste Idee - einstimmig vom Gemeinderat beschlossen - ist es, das Thema für eine Dissertation am Institut für Bayerische Geschichte anzubieten.

© SZ vom 20.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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