Dietramszell:Durchtanzte Mondnacht

Lesezeit: 2 min

Das Tölzer Ensemble "I Sonatori di Tollenze" zeigt in Linden, was man im Mittelalter unter Popmusik verstand. Dabei kommt auch eine bestrumpfte Prothese zum Einsatz

Von Christa Gebhardt, Dietramszell

Italienisch ist eine wunderschöne Sprache. So ist schon der Name des Renaissance-Ensembles I Sonatori di Tollenze eine wohlklingende Ankündigung für die Musikanten aus Tölz, die den siebten "Kulinarischen Kulturabend" beim Huber in Linden gestalten. Sechs exzellente Musiker in prachtvollen Gewändern verzaubern das Publikum mit ihren historischen Instrumenten und höfischen Tänzen im ästhetisch stimmigen Gasthaussaal, der an diesem Abend in warmes Kerzenlicht getaucht ist.

Die anregende musikalische Reise nach Italien beginnt mit einer Toccata von Claudio Monteverdi. Sein Werk markiert die Wende der Musik von der Renaissance zum Barock und deutet das große Spektrum an, aus dem die Sonatori ihre Musik schöpfen. Die beeindruckend große Klangvielfalt beruht auf den ungewöhnlichen, liebevoll nachgebauten historischen Instrumenten. Da sind kleine Kostbarkeiten wie die Schlagtrommel des Percussionisten Georg Schmidt, die gotische Harfe Barbara Finkbeiners oder der Dulzian, den Thomas Finkbeiner spielt, ein Vorläufer des Fagotts, der mit seinem süßen dunklen Klang an ein Didgeridoo erinnert. Lauten und Flöten, wie Ingo Veit und Judith Geißler-Herzog sie spielen, gehören ebenso zur europäischen mittelalterlichen Musik wie Schellen oder Rahmentrommeln. I Sonatori beziehen aber auch Instrumente aus dem Orient mit ein, die zur Zeit der Pilgerzüge die europäische Musik Spaniens und Italiens beeinflussten.

Ebenso abwechslungsreich sind die dargebotenen elegischen Volkslieder, die meist von der Sehnsucht nach Liebe handeln, die temperamentvollen neapolitanischen und spanischen Tarantellas oder ins Ohr gehende melancholische Volkslieder. Liebes- und Lebenslust, Spielfreude und tänzerische Ausgelassenheit sind die Themen und Motive dieser Lieder. Zum Beispiel "Oimè d'Amor" von Cecco Angiolieri oder nach der Pause "Pur ti miro" von Monteverdi. Mitreißend gesungen werden sie vom gesamten Ensemble, die Soli präsentieren Barbara Finkbeiner und Stephanie Waldherr, sehr bezaubernd mit ihren warmen und virtuosen Sopranstimmen.

Das Programm der Sonatori könnte man als Popmusik der damaligen Zeit bezeichnen, erklärt Ensemblegründer Ingo Veit, jeder habe damals die Texte und Melodien gekannt. Neben volkstümlichen fröhlichen Liedern und mittelalterlichen Lauden wurde aber auch Anspruchsvolles vertont. So zum Beispiel die intellektuelle Dichtkunst von Dante Alighieri aus dem 13. Jahrhundert, dem Dichter und Philosophen, der das Italienische zu einer Literatursprache machte.

Auf diesem Weg gelangte auch die frühe Dichtkunst des Humanisten Francesco Petrarca oder des italienischen Dichters Torquato Tasso zum einfachen Volk, zu den Handwerkern und Bauern. Sie ahmten wohl auch die höfischen Tänze nach, die das Ensemble an diesem Abend im Huber aufführt. Als Gag, der beim Publikum gut ankommt, hat sich Barbara Finkbeiner für ihren Auftritt ein drittes Bein unter das weite Gewand gepackt und bringt mit der fein bestrumpften Prothese einen fröhlich temperamentvollen wie auch sportlich überzeugenden Tanz aufs Parkett.

Sie und ihr Mann schneidern die prächtigen Kostüme - fantasievolle Eigenkreationen nach historischen Vorbildern: Samtwesten mit Spitzenkrägen und Pluderärmeln für die Männer, fließende schmeichelnde Gewänder mit seidigen Einsätzen und Schleiern für die Frauen. Sehr poetisch und lyrisch wird es bei einem der letzten Lieder vor der Zugabe: "Ay Luna, que reluces" - "Oh Mond, der du leuchtest". Die Melodie wird schneller und schneller und bringt dem Publikum eindringlich nahe, wie es ist, eine Nacht im Mondlicht zu durchtanzen.

Großer herzlicher Applaus für die grandiosen Musikanten von Sonatori di Tollenze, für ihre schöne Musik und für ihr dargebotenes Gesamtkunstwerk. Die Liebe zur alten Musik, die das Ensemble zusammengebracht hat, hat an diesem Abend auch das Publikum erreicht.

© SZ vom 31.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: