Dietramszell:Amelie Fried empört über Galgen-Puppe

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Strohpuppe am Galgen: Die in Dietramszell lebende Publizistin und Moderatorin kritisiert in einem offenen Brief "mangelndes Verantwortungsgefühl" bei Politikern. Gegen sie und ihren Mann werde "gehetzt"

Von Wolfgang Schäl, Dietramszell

Nach der umstrittenen Galgendarstellung bei der Bettelhochzeit im Ortsteil Schönegg übt die Publizistin und Moderatorin Amelie Fried jetzt in einem offenen Brief an Bürgermeisterin Leni Gröbmaier und deren Stellvertreter Michael Häsch scharfe Kritik und wirft beiden "einen schmerzlichen Mangel an Verantwortungsgefühl" vor. Statt sich von einer solchen Grenzüberschreitung zu distanzieren, "ducken Sie sich weg beziehungsweise gießen noch Öl ins Feuer", beklagt Fried.

Bei der erwähnten Bettelhochzeit sei "ein Mensch symbolisch gelyncht" worden. "Wer sich nur kurz mit der Ikonografie erhängter Stoffpuppen beschäftigt", so Fried, "landet sofort bei den Nazis, die symbolisch Juden erhängten, oder auch bei den Fanatikern des Islamischen Staates, die ihre Feinde erst symbolisch und danach tatsächlich töten." Empörend ist es aus Sicht Frieds, wenn Häsch in einem Leserbrief diesen Vorgang mit der Aktion von Wolfram Kastner gleichsetze. Fried schildert auch die Stimmung in der Gemeinde. Immer wieder werde ihr und ihrem Mann zugetragen, "wie in Teilen der Dietramszeller Bevölkerung hinter unserem Rücken über uns gehetzt wird, während vordergründig alle freundlich tun". Wie sie erfahren habe, sei auch bei der Bürgerversammlung "offen gegen uns gehetzt" worden, ohne dass irgendjemand dem Einhalt geboten hätte.

"Gerade von Ihnen, Frau Gröbmaier, die Sie uns eingeladen hatten, nach der missglückten Abstimmung vor dem Gemeinderat zu sprechen, hätten wir erwartet, dass Sie sich hinter uns stellen." Neben zahlreichen unterstützenden Reaktionen "haben wir auch eine Reihe anonymer, widerwärtiger Zuschriften erhalten, die das Klima widerspiegeln, das seit diesen Vorgängen offenbar in Teilen der Bevölkerung herrscht." Dabei habe doch ihr einziges "Vergehen" darin bestanden, dass sie und ihr Mann Peter Probst sich zu Wort meldeten, "als sich diese Gemeinde durch eine unsägliche politische Dummheit selbst in Verruf gebracht hatte". Man appelliere deshalb an die politisch Verantwortlichen in der Gemeinde, noch einmal zu überdenken, "ob hier die Richtigen am Pranger stehen". Vielleicht sei es dann ja möglich, zu einem zivilisierten Umgang zurückzufinden und das vergiftete Klima zu befrieden".

Der Aktionskünstler am Galgen, und damit klar wird, worum es geht, hat die Puppe auch ein Bild der Hindenburgbüste aufgeklebt. (Foto: privat)

Dafür plädiert auch Häsch, der den symbolisch aufgehängten Aktionskünstler Kastner zwar "grenzwertig" fand - "ich selber hätte das nicht gemacht" - aber dazu tendiert, dies noch als groben Faschingsscherz durchgehen zu lassen, der in der Tradition des einstigen Haberfeldtreibens zu sehen sei. Da sei eben nicht alles politisch korrekt. So genau nehme es Fried im übrigen auch nicht, wenn sie in einem ihrer Bücher offen über ihre Mordgelüste gegenüber einem unbequemen Nachbarn spreche. "Wo ist da der Unterschied ?", fragt sich Häsch. Dass Fried nicht überall beliebt ist, kann er allein aus einem Grund schon gut nachvollziehen: "Es kommt halt nicht gut an, wenn sie überall herumerzählt, sie hätte in Dietramszell so viel Kultur versäumt, dass das in 25 Jahren nicht aufzuholen ist." Auch Bürgermeisterin Gröbmaier führt diesen Satz an: Der habe Fried in der Gemeinde viele Sympathien gekostet. "Das hat die Leute verletzt, da muss man sich nicht wundern, wenn man selber durch den Kakao gezogen wird."

Den Vorwurf, sie habe sich in den jüngsten Kontroversen weggeduckt, weist Gröbmaier weit von sich, sie kämpfe eben lieber mit dem Florett als mit dem Säbel. "Wer wissen will, was ich meine, der versteht mich auch." Und Öl gieße Fried selber ins Feuer, wenn sie "immer gleich mit offenen Briefen und großen Zeitungstross" auftrete, anstatt das Gespräch im Rathaus zu suchen. Auch der Aktionskünstler Kastner sei "nie auf die Idee gekommen, mit uns zu reden". Dessen spektakulären Auftritt bewertet Gröbmaier als "Respektlosigkeit" gegenüber der Gemeinde, weil die Aufarbeitung der Hindenburg-Geschichte damals ja längst in Auftrag gewesen sei.

Was die Galgenpuppe betrifft, ist Gröbmaier nicht glücklich: "Das ist halt passiert, im Fasching", sie selber habe es eher "aus den Augenwinkeln gesehen". Daraus abzuleiten, "dass die Dietramszeller alle rechts sind" ist für Gröbmaier indes absurd. Diesbezüglich habe sie "nicht den Hauch eines Verdachtes".

Fried und Probst ziehen nun, wie lange geplant, gerne nach München zurück. Das habe mit den Vorgängen nichts zu tun. Aber: "Sie machen uns den Abschied wahrhaftig leicht", heißt es im Brief.

© SZ vom 25.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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