Der Ickinger Regisseur Rüdiger Lorenz:"Da springt die Phantasie an"

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Rüdiger Lorenz bereist seit Jahrzehnten die Welt, um Kulturdenkmäler filmisch zu dokumentieren. Seine jüngste Reise führte ihn in den Sudan - und zu einigen Überraschungen.

Von Stephanie Schwaderer

Dreharbeiten bei 50 Grad im Schatten können Rüdiger Lorenz (rechts) nichts anhaben. Im Sudan filmte der weit gereiste Ickinger zuletzt die Pyramiden von Meroe. "Wie wichtig solche Aufnahmen sind, merkt man oft erst im Nachhinein", sagt er. (Foto: privat)

Es gibt vermutlich nicht viele Filmemacher, die sagen können, dass jede Woche ein Beitrag von ihnen im Fernsehen läuft. Für den Ickinger Rüdiger Lorenz trifft dies zu. Seine Dokumentationen werden in 40 Ländern ausgestrahlt. Zusammen mit seiner Frau Faranak Djalai-Lorenz bereist er seit Jahrzehnten die Welt, um Kulturdenkmäler filmisch zu dokumentieren. Sein nächster Beitrag ist am Sonntag, 13. Januar, in der Reihe "Schätze der Welt - Erbe der Menschheit" zu sehen. Er trägt den Titel "Meroe - Von Elefantengöttern und Löwentempeln" und handelt von drei archäologischen Stätten im Sudan.

SZ: Sie reisen seit Jahrzehnten an Plätze, die ein normaler Mensch nie zu sehen bekommt. Können Sie noch staunen?

Rüdiger Lorenz: Jedes Mal wieder. Im Sudan, zum Beispiel: Da fährt man ewig durch die Wüste, und dann taucht plötzlich der Amuntempel von Naga auf, wird von der schräg stehenden Nachmittagssonne in goldenes Licht getaucht, drumherum nichts. Wenn man sich dann noch vorstellt, dass es hier vor 2000 Jahren eine Stadt mit 20 000, 30 000 Einwohnern gab, die komfortabel gelebt haben, dann ist das faszinierend. Da springt die Phantasie im Kopf an.

Auch bei 50 Grad Celsius?

Das ist gar nicht so schlimm, wie man meinen könnte. 50 Grad in den Tropen - das haut einen um. In der Wüste sind solche Temperaturen ganz gut auszuhalten. Natürlich freut man sich, wenn es nachts und vor allem morgens kühler wird. Diesmal hatten wir eher Sorgen wegen des Regens. Wir haben im August gedreht, zum Ende der Regenzeit, und befürchteten, dass wir nicht durchkommen würden, weil sich die Sandpisten schnell in Schlammpisten verwandeln. Aber wir hatten Glück.

Ihr Film ist 15 Minuten lang. Wie lange waren Sie dafür unterwegs?

Knapp vier Wochen. In dieser Zeit haben wir vier Stunden Material gedreht. Es geht ja nicht nur darum, einen viertelstündigen Fernsehbeitrag zu erstellen. Sinn ist es vielmehr auch, in Ländern, die dazu gar nicht die Mittel haben, das kulturelle Erbe zu dokumentieren. Diesen Ländern steht das Material dann später auch zur Verfügung. Der SWR verfügt über ein großes Archiv mit solchen Aufnahmen. Wie wichtig sie sind, merkt man oft erst im Nachhinein - etwa wenn irgendwelche Extremisten Buddha-Statuen in die Luft sprengen. Bilder zu sammeln, die solche Schätze dokumentieren, das sehe ich als meine Aufgabe an. Eine schöne Arbeit.

Der Tempel von Naga hat es Lorenz besonders angetan, auch deshalb, weil er ein Symbol der Völkerverständigung ist - zumindest in archäologischer Hinsicht. (Foto: privat)

Aber auch eine strapaziöse. Vier Wochen durch die Sahara - wie haben Sie das bewerkstelligt?

Da ist man natürlich auf die Hilfe von Einheimischen angewiesen. Die ersten Kontakte knüpfen wir meist über das Goethe-Institut oder das Eine-Welt-Haus in München - dort kann man viele Leute treffen. In diesem Fall haben wir mit einem Sudanesen zusammengearbeitet, mit dem wir bereits 2006 einen Film gedreht hatten, ein aufgeschlossener Mensch, der sogar Deutsch spricht - ein Glücksfall. Vor Ort sucht man sich dann eine Truppe zusammen, zum Beispiel auch einen Koch, der schon einmal für Europäer gearbeitet hat und weiß, worauf er aufpassen muss, damit keiner krank wird.

Bei der Auswahl der Leute hilft Ihnen der Kontaktmann?

Genau. Viele Nomaden freuen sich über einen Job, und wir legen Wert darauf, sie anständig zu bezahlen. Da kommt oft ein tolles Team zusammen. In Madagaskar sind wir tagelang über Pfade gewandert, mit 20 Leuten, die das Gepäck auf dem Kopf trugen. Ich habe allein 300 Kilo Equipment. Im Sudan war es leichter, weil wir mit dem Allrad relativ nah an die archäologischen Stätten rangekommen sind. Aber eine halbe Stunde eine Sanddüne hochzustapfen, schlaucht auch. Da haben wir uns dann mit Eselskarren beholfen.

Der Sudan ist nicht eben ein Reiseland. Hatten Sie keine Angst?

Als wir in Meroe standen, mitten in der Wüste, klingelt mein Handy. Unser Sohn ist dran und fragt: Wisst ihr, dass bei euch die Botschaft brennt? Wir wussten nichts davon. Ich hab sofort den Kulturattaché angerufen, und erst hat sich die Sache sehr dramatisch dargestellt. Da waren wir schon verunsichert. Warum, fragt man sich, müssen Leute mit dummen Schmäh-Videos die Welt aufwiegeln. Genauso blöd ist es natürlich, wegen eines solchen Videos eine Botschaft anzuzünden. Darüber haben wir mit unseren einheimischen Freunden diskutiert. Plötzlich ist man mittendrin. Wenn man aber einmal von den Bildern aus Khartum absieht, ist der Sudan ein unheimlich gastfreundliches Land. Selten, dass man auf so nette Leute stößt. Alle haben zu uns gesagt: Keine Angst, wir passen auf euch auf. So konnten wir unsere Arbeit gut zu Ende führen.

Ihre Frau ist Iranerin. Erleichtert das in solchen Fällen den Kontakt mit den Einheimischen?

Auf alle Fälle. Wenn man in einem muslimischen Land zu Gast ist und aus der gleichen Glaubensrichtung kommt, eröffnet das einem einen ganz anderen Zugang zu den Leuten. Man ist plötzlich kein Fremder mehr, sondern man gehört dazu. Gespräche laufen besser und ehrlicher, weil beide Seiten weniger von Vorurteilen und Klischees belastet sind.

Was hat Sie auf dieser Reise am meisten beeindruckt?

Der Tempel von Naga. 2006 waren wir bei seiner Wiedereröffnung dabei gewesen, das war damals ein riesiges Fest, bei dem zum Ausdruck gebracht wurde, dass sich Deutschland und Sudan trotz politischer Differenzen auf archäologischer Ebene verstehen. Das deutsche Archäologen-Team um Dietrich Wildung und Karla Kröper, das dort seit 1994 gräbt, erklärte, dass man im Sudan arbeiten könne - ganz anders als in Ägypten. Jetzt dort wieder hinzukommen war für mich etwas Besonderes. Mussawwarat, das eine Tagesreise nördlich liegt, ist mit seinem Elefanten-Tempel ebenfalls spannend, hat aber für mich nicht die Aura von Naga. Anders ist es bei den Pyramiden von Meroe - einem riesiges Gräberfeld, in dem 600 Jahre lang die Könige und Königinnen des Reichs von Kusch bestattet wurden. Einen wunderschönen Goldschatz, den wir auch im Film zeigen, der dort gefunden wurde, kann man in der Ägyptischen Staatssammlung in München im Original besichtigen. An einer solchen Stelle zu stehen ist schon beeindruckend.

Woran arbeiten Sie gerade?

Gerade drehen wir in Holland an einem Film für eine Freundin. Wir sind 800 Kilometer gefahren, um mitten im Nebel zu landen. Alles grau in grau. In der gleichen Zeit hätten wir fast im Sudan sein können !

Rüdiger Lorenz: "Meroe - Von Elefantengöttern und Löwentempeln", 2012, aus der SWR-Reihe "Schätze der Welt - Erbe der Menschheit"; Erstsendung: Sonntag, 13. Januar, 19.40 Uhr, 3sat. Wiederholung am Montag, 14. Januar, 12.45 Uhr, 3Sat

© SZ vom 10.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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