Auszeichnung:Bad Tölz wird fair

Lesezeit: 3 min

Im Oktober ist die Kurstadt mit dem Siegel für weltweit gerechten Handel ausgezeichnet worden. Damit das nicht nur ein Etikett bleibt, muss heuer noch einiges auf die Beine gestellt werden

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Aus dem oberen Stockwerk tönt gedämpft ein gregorianischer Gesang, aber von der Probe ist unten im Pfarrsaal der katholischen Gemeinde Maria Himmelfahrt nichts zu hören. Sieben Mitglieder der Steuerungsgruppe der "Fair Trade Town", zu der Bad Tölz im Oktober vorigen Jahres ernannt wurde, haben ein paar Tische zusammengeschoben, auf der Flyer, Prospekte und andere Papiere liegen. Beim ersten Treffen hat die Runde einfach mal "losspintisiert", sagt Sprecherin Barbara Rösch-Rupp. Damit die Auszeichnung als Stadt, die sich für fairen Handel in der Welt einsetzt, nicht bloß ein hübsches Etikett bleibt, muss sie heuer einiges auf die Beine stellen. "Der Druck muss von unten kommen, von den Verbrauchern, erst dann reagieren die Produzenten", sagt Stadtrat Richard Hoch (Grüne).

Bad Tölz ist als einzige Kommune im Landkreis eine "Fair Trade Town", in der Region hat ansonsten nur noch Penzberg dieses Gütesiegel. Wolfratshausen hat sich darum beworben. Das Prädikat ist mit Auflagen verbunden: Es muss eine Steuerungsgruppe geben, Bildungsveranstaltungen, fair gehandelte Produkte in Geschäften und Gasthäusern, ebenso Berichte lokaler Medien. Außerdem muss sich die Zivilgesellschaft beteiligen, also etwa Vereine oder kirchliche Organisationen. Um dem Postulat der Bildung gerecht zu werden, hat die Gruppe im Pfarrsaal einen konkreten Plan, auch wenn von den Terminen her noch nicht alles in trockenen Tüchern ist: Sie organisiert das dritte "Tölzer Forum Fair". Gezeigt wird der Film "The True Cost - Der Preis der Mode", der sich um die Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie in armen Ländern dreht, die Fachoberschule/Berufsoberschule (FOS/BOS) veranstaltet Wissenschaftstage zu den Themen Geld, Wachstum und Ernährung, außerdem gibt es Aktionen, Stände und Musik in der Franzmühle zur "Fairen Woche", die bundesweit vom 16. bis zum 30. September stattfindet.

Im Landratsamt oder auch im Tölzer Rathaus wird schon seit langem Kaffee ausgeschenkt, der von Kleinbauern aus Lateinamerika oder Afrika stammt. Auch in manchen Geschäften stehen Tee und Honig in den Regalen, die in der südlichen Hemisphäre produziert werden. Trotzdem gibt es für die Steuerungsgruppe noch viel zu tun. "Es gibt noch immer Leute, die nicht wissen, was Fair Trade ist", sagt Gudrun Schroth vom Weltladen, der seit 30 Jahren

in Tölz angesiedelt und in der Nockhergasse zu finden ist. Andere glaubten, dass fair gehandelte Produkte kostspielig seien, was nicht immer stimme - zum Beispiel bei Lederwaren und Geschirr. Und wenn der Preis mal höher sei, ergänzt Stadtrat Hoch, "steckt ja auch Qualität dahinter".

Etwa 30 Teilnehmer haben sich in Tölz bisher verpflichtet, solche Erzeugnisse anzubieten. Dazu gehören 19 Einzelhandelsgeschäfte, von Supermärkten über Bäckereien, Buchhandlungen und Modeläden bis zum Reformhaus. Aus dem Gewerbe sind unter anderem die Sparkasse, Banken und Stadtbibliothek mit dabei, außerdem haben sich Kirchengemeinden, Stadt, Schulen, das Katholische Kreisbildungswerk und das Evangelische Bildungswerk angeschlossen. Noch etwas dünn sieht es bei der Gastronomie aus: Kurhaus, Hotel Kolbergarten, Alpenbiomarkt und Café im Süden - das war's. Das sei ein schwieriges Terrain, findet Barbara Rösch-Rupp. "Wir hätten es schön gefunden, wenn wir doch mehr gefunden hätten, das war knapp." Das Problem sei, dass die meisten Tölzer Gaststätten den selben Großlieferanten hätten, der nur zwei von insgesamt etwa 10 000 Produkten aus fairem Handel im Sortiment habe. Das Unternehmen habe man im Dezember angeschrieben, aber noch keine Antwort erhalten, sagt die Sprecherin. Gerne hätte sie auch mehr Textilgeschäfte auf der Liste, etwa das Kaufhaus Rid. Manche Ladeninhaber seien etwas hilflos, meint Iris Maurus vom evangelischen Kirchenvorstand. Ob Bekleidung oder Teesorten, sie wüssten nicht, was es für Möglichkeiten gebe, mit einzusteigen. Gabriele Späth, ebenfalls vom evangelischen Kirchenvorstand, regt an, die BayWa anzusprechen, da sie schon fair gehandelte Jeans im Angebot habe.

Dem Beschluss im Stadtrat, sich um die Auszeichnung als "Fair Trade Town" zu bewerben, war im Vorjahr eine kontroverse Debatte vorausgegangen. Einige Mandatsträger forderten, lieber die einheimischen Landwirte zu fördern. Regional erzeugte und fair gehandelte Produkte stünden jedoch nicht in Konkurrenz zueinander, sagt Rösch-Rupp. "Sie ergänzen sich." Auch die Steuerungsgruppe wolle die bäuerlichen Betriebe in der Region unterstützen. In erster Linie gehe es ihr aber "um die Kleinbauern im Süden".

Informationen gibt es auf der Homepage der Stadt Bad Tölz, www.bad-toelz.de, unter den Links "Stadtleben" und "Steuerungsgruppe Fair Trade". Wer sich für eine Teilnahme interessiert, kann sich per E-Mail, info@fairtrade.bad-toelz.de, melden.

© SZ vom 02.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: