Debatte über Flächenverbrauch:Mehr Verdichtung, bitte

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Intakte Naturräume kontra Besiedelung: Der Regionalverband Oberland informiert sich im Tölzer Landratsamt über die Flächensparoffensive der bayerischen Staatsregierung

Von Alexandra Vecchiato, Bad Tölz-Wolfratshausen

Es ist ein Dilemma. Etwa zehn Hektar Fläche werden in Bayern täglich für Siedlungen, Verkehr und Gewerbe verbraucht. Dem gegenüber steht die wachsende Sensibilisierung der Bürger, was Naturschutz und Artenvielfalt betrifft. In diesem Spannungsfeld bewegen sich Städte und Gemeinden in ihrer baulichen Entwicklung. Flächen sparen ist das Ziel, Nachverdichtung heißt das Zauberwort. Die Flächensparoffensive der bayerischen Staatsregierung war nun Thema in der Regionalkonferenz für die Region Oberland.

"Was passiert da mit uns?" Diese Frage stellte Landrat Josef Niedermaier, Vorsitzender des Planungsverbands Oberland, zu Beginn der Konferenz. Zum Planungsverband gehören die Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen, Weilheim-Schongau, Garmisch-Partenkirchen und Miesbach. Es geht um die Vorgabe der bayerischen Staatsregierung, die im Koalitionsvertrag zwischen CSU und Freien Wählern steht. Künftig soll der tägliche Flächenverbrauch halbiert werden. Heißt: Pro Tag dürfen nur noch fünf Hektar versiegelt werden. Wenn man diese fünf Hektar auf die Gemeinde Jachenau runterbrechen würde, die einen 16 Kilometer langen Radweg errichtet, dann dürfte dort auf Jahre hinweg nichts mehr gebaut werden. Einzige Stellschraube gegen den Flächenfraß sei, die schon zur Verfügung stehenden Flächen intensiver zu nutzen. Bauen auf der grünen Wiese müsse die Ausnahme sein, sagte Niedermaier. Denn es gehe nicht nur um den Naturschutz, sondern auch um die Schonung landwirtschaftlicher Flächen. "Die Innenentwicklung muss der Außenentwicklung vorgehen", betonte der Tölzer Landrat.

Auf der Industriebrache an der Banater Straße in Geretsried sollen annähernd 800 Wohnungen errichtet werden. (Foto: Manfred Neubauer)

Niedermaier wies darauf hin, dass gerade in Dörfern die Themen "Nachverdichtung" und "Geschosswohnungsbau" rote Tücher seien. Dass die Debatte "unheimlich emotional" sei, bestätigte Klaus Ulrich, Abteilungsleiter Landesentwicklung im bayerischen Wirtschaftsministerium. Die Vorgabe mit fünf Hektar sei nur ein Richtwert. Die Umsetzung soll schrittweise bis 2030 erfolgen. Das Kabinett hat am Dienstag über den Entwurf des Landesplanungsgesetzes gesprochen. Die Bauplanungshoheit der Kommunen soll nicht eingeschränkt werden.

Man könne Flächen nicht über einen Kamm scheren, denn Golfplätze, Parkanlagen, Truppenübungsplätze oder ähnliches dürften nicht gleich beurteilt werden wie Siedlungs- und Verkehrsflächen. "Wichtig sind regionale Betrachtungen", betonte Ulrich. Außerdem müssten nicht nur Städte und Gemeinden zum Flächensparen angehalten werden. Dies sei auch Aufgabe von Land und Bund.

Dass den Kommunen die richtigen Instrumente an die Hand gegeben werden, um die innerörtliche Verdichtung vorantreiben zu können, dafür plädierte Matthias Simon vom Bayerischen Gemeindetag. Ein besonderer Stellenwert käme dabei der Vorkaufrechtsausübung zu. Er werde täglich nach einer Mustersatzung gefragt, sagte Simon. Es geht darum, dass Kommunen sich Flächen wie aufgelassene Hofstellen und ähnliches mit diesem Recht sichern können, um dort eine "zielführende, effiziente Ortsentwicklung" durchzusetzen. "Dass ich an viele Flächen nicht herankomme als Gemeinde, steht auf einem anderen Blatt Papier", so Simon.

Hilfreich könne es sein, wenn es darum gehe, ein Vorkaufsrecht gerichtlich durchzusetzen, ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept, kurz "ISEK", zu haben, erklärte Simon. Mit diesem könne eine Kommune nachweisen, dass sie sich bauleitplanerische Gedanken gemacht habe. "Das ISEK ist nicht nur ein sozialwissenschaftliches Konzept, sondern ein juristisches Instrument", so Simon. Des Weiteren müsste entsprechend gefördert und Baustandards auf den Prüfstand gestellt werden. Und, erklärte er, es müsse für brach liegende Flächen eine höhere Grundsteuer geben als für bebaute Grundstücke.

Als Beispiel für den Aberwitz der bestehenden Gesetzgebung brachte Simon den Fall einer Gemeinde, die ihr altes Schulhaus als Seniorenheim umnutzen wollte. Daneben befindet sich ein landwirtschaftliches Anwesen. Das Seniorenheim wurde nicht genehmigt, unter anderem wegen der Geruchsbelästigung durch die Kühe. "Die alte Frau auf dem Hof lebt seit 70 Jahren mit 25 Kühen, 50 Meter weiter darf sie das nicht. Dieses Drama muss man in den Griff kriegen."

© SZ vom 05.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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