Debatte:Empörung über "Bauern-Bashing"

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Wiesen mit Wildblumen wie die an der Jeschkenstraße in Geretsried sind ein Paradies für Insekten. Die Gemeinde Dietramszell will nun mehr solcher Biotope schaffen. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Initiative des Bund Naturschutz, den Landkreis pestizidfrei zu machen, führt in Dietramszell zu lauten Diskussionen. Der Gemeinderat beschließt jedoch, den Einsatz auf gemeindlichen Flächen zu verbieten

Von Petra Schneider, Dietramszell

Die Initiative der Kreisgruppe des Bund Naturschutz (BN), die zum Ziel hat, den Landkreis pestizidfrei zu machen, hat im Dietramszeller Gemeinderat zu einer lautstarken Diskussion geführt. Zweiter Bürgermeister Michael Häsch (CSU) erhob schwere Vorwürfe gegen den BN-Kreisvorsitzenden Friedl Krönauer. Dieser führe die Bürger in der "medialen Begleitmusik" mit falschen Informationen in die Irre. Die Landwirtschaft werde einseitig für das Insektensterben verantwortlich gemacht. Dem schlossen sich auch andere Gemeinderäte an, Begriffe wie "Bauern-Bashing" fielen in der aufgeheizten Diskussion.

Bürgermeisterin Leni Gröbmaier (BLD) zeigte sich "fassungslos", ob dieser Vorwürfe. Sie könne in der Beschlussvorlage des BN keine einseitige Schuldzuweisung erkennen. Nur in einem der sechs Punkte sei von der Landwirtschaft die Rede, die anderen bezögen sich auf kommunale Flächen, die Schaffung von Blühflächen oder die Information der Bürger. Häsch nannte die Initiative dagegen eine "Unverschämtheit". Er forderte den BN auf, "die Bevölkerung über die multifunktionalen Gründe des Insektensterbens zu informieren" und gemeinsam mit Landwirten und Kommunen ein Konzept zur Schaffung von Lebensräumen für Insekten zu erarbeiten. Auf diese Formulierung einigte sich der Gemeinderat in einer Ergänzung, folgte aber auch dem Vorschlag des BN, bei der Neuverpachtung von gemeindlichen Flächen für die Landwirtschaft den Einsatz von Pestiziden zu verbieten.

In der Erklärung der Landkreisgruppe des BN wurde eine Untersuchung des Entomologischen Vereins Krefeld angeführt, wonach die Insekten-Biomasse seit dem Jahr 1989 um 76 Prozent zurückgegangen sei. Ursache seien die landwirtschaftlich intensiv genutzten Flächen, mit ihrem hohen Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel, heißt es seitens des BN. Häsch warf Krönauer vor, mit falschen Informationen zu argumentieren; denn die beiden Fallen des Krefelder Instituts seien in einem Naturschutzgebiet aufgestellt gewesen. "Es gibt keine Untersuchung, wie sich der Insektenbestand in landwirtschaftlich genutzten Flächen verändert hat", sagte Häsch. Auch die Krefelder Entomologen hätten keine eindeutigen Verursacher genannt. Häsch verwies auf eine Studie des Berliner Leibniz-Instituts, wonach in jeder Sommernacht in Deutschland rund eine Milliarde Insekten sterben, weil sie von Lampen irritiert werden. Auch Elektrosmog wirke sich negativ aus. Die Landwirtschaft sei nur ein Teil des Problems. In Dietramszell gibt es nur wenige landwirtschaftlich verpachtete Flächen. Eine Fläche in Linden werde ohnehin nach den Vorgaben des Biolandbaus bewirtschaftet, "und sehr viel mehr haben wir nicht", sagte Gröbmaier. Laufende Pachtverträge könnten nicht geändert werden; bei neuen soll künftig aber das Pestizidverbot festgeschrieben werden.

Seit Jahren verzichte man auf den Einsatz von Pestiziden auf gemeindlichen Flächen wie Banketten, Grünanlagen oder Friedhöfen, sagte Gröbmaier. Gemeinsam mit den vier Gartenbauvereinen werde zudem versucht, den Anteil von Blühpflanzen zu erhöhen: Bei allen Veranstaltungen der Gartenbauvereine würden entsprechende Sämereien verteilt, auch beim neuen Hochbehälter am Jasberg habe man Blühpflanzen angesät. Jakob Pertold (BLD) ärgerte sich, "dass der BN immer auf die Landwirte schimpft". Bauern würden im Umgang mit Pflanzenschutzmitteln geschult, "aber im Baumarkt stehen die Giftschränke rum und jeder Kleingärtner kann sie kaufen". Benno Suttner (BLD) plädierte für einen Dialog zwischen Bauern und BN. Zugleich müsse die Gemeinde ein Signal für einen Verzicht von Pestiziden setzen.

© SZ vom 19.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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