Das waren noch Zeiten:Ein Quadratmeter Baugrund für 68 Pfennig

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Hubert Zwick referiert vor begeisterten Zuhörern die Geschichte des Orts Achmühle mit Höhen wie der Flößerei und dem Tonkreideabbau und Tiefen wie der Armut nach dem Zweiten Weltkrieg

Von Christa Gebhardt, Eurasburg

Eigentlich dachte Hubert Zwick, Schulrat im Ruhestand und Gemeinderat des Arbeitskreises Ökumene in Achmühle, dass keiner mehr kommt. Seinen Vortrag "Achmühle einst und jetzt" hatte er im Vorjahr schon mal gehalten. Aber das Interesse war groß, und so mussten am Samstag zu den vorbereiteten 30 Stühlen noch 60 weitere in den schönen Raum im ausgebauten Dach des Achmühler Bürgerhauses gebracht werden. Natürlich waren die alteingesessenen Achmühler die Mehrheit im Publikum. Aber auch ein paar junge Familien, die erst in den vergangenen beiden Jahren ihre neuen Häuser in Achmühle gebaut haben, wollten etwas über die Ursprünge ihres Heimatorts lernen.

An der Stelle des Wirtshauses steht seit 2007 das Bürgerhaus Achmühle. (Foto: Manfred Neubauer)

Ein Gründungsdatum, erfuhren sie von Zwick, gab es nicht für Achmühle. Es war der Name der "Saagmühl in der Ach", der da in frühen Dokumenten und in einer Karte von 1813 auftauchte. Ein idealer Platz für eine Mühle, denn reichlich Wasser gibt es im Ort, man kann es in den vielen, oft unterirdischen Bächen auch heute überall plätschern hören, die Mühle aber gibt es schon lange nicht mehr. Sie fiel wahrscheinlich einer Brandstiftung zum Opfer, schuld daran war ein erbitterter Streit zwischen verfeindeten Nachbarn, die sich gegenseitig das Wasser abgruben. Ein Wirtshaus verschaffte dem Ort dann den eingetragenen Namen "Achmühle". König Ludwig II. von Bayern genehmigte in einem Dokument von 1873 dem Bürger Joseph Holzer den Bau dieses Wirtshauses. Vermutlich trug der rege Handelsverkehr durch die Flößer auf Isar und Loisach dazu bei, dass es florierte, denn der kleine Ort Achmühle war inzwischen auch ein Umlade- und Parkplatz für die vielen Flöße geworden, wenn an den Floßländen in Wolfratshausen ein Stau entstanden war.

Hubert Zwick, Gemeinderat und früherer Schulrat, unterhielt die Zuhörer mit Daten und Zahlen, aber auch mit Anekdoten. (Foto: Hartmut Pöstges)

Einen Strukturwandel brachte die Eisenbahn, die 1899 gebaut wurde, bis Bichl fuhr und Station machte in Bolzwang und Achmühle. Die Süddeutschen Zementwerke, die sich inzwischen mit dem Abbau von Tonkreide in Achmühle etabliert hatten, nutzen die Bahn für deren Vertrieb. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Achmühle noch ein kleiner Ort mit wenigen Häuschen; die Straße von Wolfratshausen nach Eurasburg ein lehmiger Pfad, bedeckt mit Kieseln und durchfurcht von großen Löchern. Autos gab es kaum, im Sommer fuhren die Ochsenwagen, im Winter die Pferdeschlitten und ab und zu ein alter gelber Postbus. Jedes Frühjahr traten die Flüsse über die Ufer und das Loisachtal wurde zu einem großen See. Die Achmühler Kreide wurde nicht mehr gebraucht, der Wechsel zum Kiesabbau funktionierte nicht. Die Menschen waren arm, jeder versuchte, autark zu leben, baute Gemüse an und hielt Schafe, Ziegen und Hasen.

Der Andrang war so groß, dass noch mehr Stühle in den Saal des Bürgerhauses gebracht werden mussten. (Foto: Hartmut Pöstges)

Zwick konnte für den historischen Teil seines Vortrags auf die akribische Vorarbeit der beiden Hobby-Archivare Stefan Gauß und Helmut Steinberger zurückgreifen, welche die Dokumente für Achmühle gesammelt hatten. Für die neuere Entwicklung zitierte er auch Erinnerungen der Achmühlerin Annemarie Höfler an die explosionsartige Entwicklung des Orts in den Fünfzigerjahren. Ein Ansturm auf die Grundstücke brach damals los, die Preise waren günstig und - Zwick weiß, dass er gleich Heiterkeit erregen wird bei den Zuhörern -: 28 Pfennig pro Quadratmeter kostete der Gartengrund, 68 Pfennig der Baugrund. Die Häuser schossen wie Pilze aus dem Boden, gebaut wurde am Wochenende in Eigenleistung. Eine Blütezeit Achmühles begann, es gab ein Café, eine Post, ein Lebensmittelgeschäft, eine Metzgerei und einen Frisör. Die Ausflugsgaststätte war beliebt und florierte. Die Dampflok fuhr bis 1969, der Triebwagen bis 1972, die drei alten Lokführer sind Hubert Zwick heute noch bekannt.

Im Zuge der Gebietsreform in den Siebzigern musste sich Achmühle entscheiden, ob es zu Münsing oder Eurasburg gehören wollte und wählte Eurasburg, verlor aber seinen Badeplatz am Starnberger See. Der Supermarktboom beendete den Einzelhandel in Achmühle. Gleichzeitig entwickelten sich mit dem Arbeitskreis Kirche die Ökumene und ein reges christliches Gemeindeleben. Auch das Wirtshaus verschwand, an seiner Stelle aber entstand das Bürgerhaus, initiiert von den "Aktiven Achmühlern". Seit 2007 ist es mit seinen vielseitigen Angeboten der lebendige Mittelpunkt des Orts mit seinen heute 650 Bewohnern.

Für Hubert Zwicks Vortrag über die bewegte Achmühler Geschichte dankten die zahlreichen Zuhörer mit einem herzlichen Applaus.

© SZ vom 12.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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