Das politische Jahr 2021 in Bad Tölz-Wolfratshausen:Wie Corona den Wahlkampf veränderte

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Bekommt man Bürger an die Urne, wenn jahrelang erprobte politische Rituale nicht mehr funktionieren? Die Pandemie hat die Kommunalpolitik vor neue Herausforderungen gestellt

Von Alexandra Vecchiato, Bad Tölz-Wolfratshausen

Wahlkampf lebt vom direkten Kontakt, vom Gespräch mit den Bürgern in der Fußgängerzone, vom Politgepoltere in übervollen Bierzelten. Doch unter Corona-Bedingungen jene Euphorie zu wecken, die Menschen an die Wahlurnen treibt, stellte die Kommunalpolitiker 2021 vor große Probleme. Jahrelang erprobte Rituale des politischen Miteinanders brachen weg. Wie mobilisiert man also die Leute, zur Bundestagswahl zu gehen, war die große Frage.

Normalerweise ist der Wahlkreis 223, zu dem die Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach gehören, eine "gmahde Wiesn", um es auf Bairisch zu sagen. Doch auf Bundesebene gaben sich die in den Umfragen erstarkten Grünen selbstbewusst. Auch die SPD nutzte ihre Chancen, denn der Unionsspitzenkandidat Armin Laschet konnte nicht recht überzeugen, dafür wurde es plötzlich denkbar, dass Olaf Scholz Kanzler werden könnte. In Bayern fragte man sich zudem, wie sich das Antreten der Freien Wähler bei der Bundestagswahl auf das Ergebnis der CSU auswirken würde. Und dann noch das alles beherrschende Thema: Die Parteien blickten mit Sorge auf einen durch die Corona-Pandemie reduzierten Wahlkampf. Zwar äußerte die Bundesregierung immer wieder die Hoffnung, dass durch die fortschreitenden Impfungen bis zum September ein vergleichsweise normales Leben stattfinden könnte. Doch planen ließ sich das halt nicht.

Ob auf Bundes- oder lokaler Ebene, die Wahlkampfteams mussten umdenken, um an die Frau oder den Mann zu kommen. Digitale Angebote, Facebook-Posts oder ein Flyer im Briefkasten - viel mehr blieb nicht, um die durch Covid quasi unerreichbare potenzielle Wählerschaft zu aktivieren, da die Corona-Regelungen einen Wahlkampf am Stand, an der Haustür oder auf dem Marktplatz kaum zuließen. Auf Twitter ist nun mal das Ansteckungsrisiko gleich null. Zoom, Teams und andere Online-Konferenzmöglichkeiten waren plötzlich in aller Munde. Doch nicht alle Wähler sind digital-affin - eine Herausforderung.

Ebenfalls erschwert wurde der Wahlkampf im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, weil kaum hiesige Direktkandidaten nominiert wurden. Viele Veranstaltungen fanden eher in Kreis Miesbach statt. Zur Wahl am 26. September 2021 stellten sich zehn Frauen und Männer. Neben dem Wahlkreisabgeordneten Alexander Radwan aus Rottach-Egern, der erneut für die CSU ins Rennen ging, waren das Hannes Gräbner aus Holzkirchen (SPD), Karl Bär (Grüne) und Beatrice Vesterling (FDP), beide ebenfalls aus Holzkirchen, der Münchner Erich Utz (Die Linke), Christian Kaul aus Bad Heilbrunn (Freie Wähler) und Jan-Philipp van Olfen aus Benediktbeuern (ÖDP). Die Bayernpartei hatte Marinus Thurnhuber aus Warngau gemeldet, Florian Merkl aus Waakirchen trat für die Satirepartei "Die Partei" an und Susanne Ehlers aus Wolfratshausen für die aus dem Querdenker-Milieu hervorgegangenen Partei "Die Basis". Die AfD musste indes im Wahlkreis 223 ohne einen Direktkandidaten zur Bundestagswahl antreten. Zwar hätte die Partei gerne Axel Zamzow aus Gröbenzell nominiert, seines Zeichens Sprecher des Tölzer Kreisverbands. Doch Zamzow hatte es nach Angaben des Landratsamts Bad Tölz-Wolfratshausen versäumt, fristgerecht die Zustimmungserklärung zu unterzeichnen. Seine Unterschrift wäre nötig gewesen, um die Kandidatur zu besiegeln.

Letztlich konnte Alexander Radwan (CSU) sein Direktmandat am Wahlsonntag im September mit deutlichem Vorsprung verteidigen. Er errang 41,3 Prozent der Stimmen. Auf Platz zwei folgte ihm Karl Bär (Grüne) mit 15,5 Prozent, der in seinem vierten Anlauf über die Landesliste in den Bundestag einzog. Hannes Gräbner (SPD) kam auf 11,5 Prozent; Christian Kaul (Freie Wähler) erreichte 10,6 und Béatrice Vesterling (FDP) 8,6 Prozent.

Richtig Stimmung mochte trotz Radwans Erfolg bei der CSU nicht aufkommen, die sich in einer Gaststätte in Miesbach zusammengefunden hatte, um die Hochrechnungen am Bildschirm zu verfolgen. Er sei durchaus zufrieden mit seinem Ergebnis, erklärte damals Radwan - nicht ohne einen Seitenhieb gegen die Freien Wähler. Ihr Antreten bei der Bundestagswahl habe die Christsozialen viele Stimmen gekostet und damit die Union geschwächt. Thomas Holz, CSU-Kreisvorsitzender in Bad Tölz-Wolfratshausen, und Landtagsabgeordneter Martin Bachhuber äußerten ihren Unmut über den schwachen Kanzlerkandidaten Laschet und kündigten eine detaillierte Analyse der Ursachen für das schlechte Abschneiden der Schwarzen an.

© SZ vom 29.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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