Fast hätte die Hochzeit in der Kirche nicht geklappt. Als Stefan und Karla Tupi im September 1952 in Graslitz vor dem Altar standen, fehlte ein wichtiges Detail. In der kommunistisch regierten Tschechoslowakei brauchte man eine besondere Genehmigung, wenn man kirchlich heiraten wollte. Doch die hatten die Tupis vergessen. Schnell lief der Trauzeuge zum Amt, um das Dokument zu holen, und die Hochzeit in der Kirche, die Karla Tupi so wichtig war, konnte doch stattfinden.
65 Jahre ist das her, und das Ehepaar Tupi ist immer noch verheiratet. Am Mittwoch feierten sie ihre Eiserne Hochzeit - im kleinen Kreis mit der Familie. "Ich will keinen großen Trubel", sagt Karla Tupi. Ein bisschen Aufsehen blieb den beiden aber nicht erspart. Am Freitag kam Bürgermeister Michael Müller in ihr Haus nach Geretsried. Er überreichte Blumen und eine Urkunde. Auch die Hochzeit vor 65 Jahren feierten sie mit der Familie, im Haus der Tante, der Großvater kochte Schnitzel mit Kartoffelsalat. "Wir hatten nicht viel damals", erinnert sich die 83-Jährige.
Kennengelernt hatten sich die beiden vor 67 Jahren ebenfalls in Graslitz, im heutigen Tschechien. Stefan Tupi, 1930 in Ungarn geboren, war als 17-Jähriger im Zug dorthin geflohen. Karla lebte in der Stadt, seit sie ein Kind war. Geboren wurde sie 1934 im zehn Kilometer entfernten Bleistadt. Als junges Mädchen ging sie gerne mit Freundinnen zum Tanzen oder schaute sich die Boxkämpfe der Graslitzer Mannschaft an. Einer der Sportler im Boxring war Stefan.
Doch der fiel Karla erst mal nicht besonders auf. Es war eher andersherum. "Am Anfang wollte ich ihn gar nicht", sagt Karla lachend. Da half nur ein Schwindel: Um sie nach dem Tanzen nach Hause begleiten zu können, gab Stefan vor, den gleichen Weg zu haben. Das stimmte natürlich nicht. Doch von da an besuchte er Karla jeden Tag nach der Arbeit. Seine Hartnäckigkeit zahlte sich aus - die beiden wurden ein Paar. Zwei Jahre später heirateten sie. Ein Jahr danach kam Tochter Margit, zehn Jahre später Sohn Stefan. Mittlerweile haben sie vier Enkel und zwei Urenkel.
Doch die junge Familie wollte nicht in der Tschechoslowakei bleiben: "Es gab keine gute Arbeit und man hat nichts verdient", erinnert sich der 86-Jährige. "Wir wollten nach Australien auswandern." 1964 nutzen sie einen Weihnachtsbesuch bei Karlas Verwandten in Geretsried, um Graslitz zu verlassen. Nach dem zweiwöchigen Besuch kehrten sie nicht mehr zurück. Erst kamen sie bei Karlas Bruder, dann in einer Sozialwohnung unter.
Die Tupis mussten wieder bei Null beginnen. "Gegessen haben wir in der ersten Zeit nacheinander, weil nur ein Teller und einmal Besteck da waren", erinnert sich Karla Tupi. Um sich ein Leben aufzubauen, arbeiteten die beiden fast rund um die Uhr. Er war angestellter Elektriker für Medizinische Apparate, nebenher hatte er eine Firma, die in Gaststätten die Bierleitungen reinigte. Außerdem erfand er eine Leuchtstoffröhre für Nass- und Feuchträume. Karla Tupi verkaufte Pilze auf dem Markt und betrieb ein Geschäft für die Reparatur von Zelten und Planen. 1980 kauften sie Grund in Geretsried und bauten abends eigenhändig das Haus, in dem sie heute wohnen. "Das war eine harte Zeit, aber wir haben immer zusammen geholfen", erinnert sich Stefan Tupi.
Das Geheimnis, das die Ehe der beiden 65 Jahre halten ließ: "Wir haben nur selten gestritten, aber wenn, sind wir nie ins Bett gegangen, ohne uns vorher auszusprechen", erklärt Karla Tupi. Angeschwiegen hätten sie sich nie. Lachend fügt sie hinzu: "Das geht mit ihm auch gar nicht, er redet ja die ganze Zeit".