Chancen nutzen:Mit Kreativität aus der Krise

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Die Malerin Ruth Kohler möchte in der Corona-Pademie vor allem eines: Jungen Menschen Mut machen

Von Veronika Ellecosta, Münsing

Die Künstlerin Ruth Kohler hat in ihrer Jugend den Zweiten Weltkrieg miterlebt. Das war rückblickend schlimm, sagt sie, aber ihre Kindheit sei dennoch schön gewesen. Der Corona-Pandemie steht sie deswegen auch gelassen gegenüber und rät der Jugend: "Werdet kreativ."

Um Ruth Kohler am Telefon zu erreichen, bedarf es mehrerer Anläufe. Mal hat sie Besuch, das andere Mal will sie gerade einkaufen gehen. Der umtriebigen Malerin geht es gut im zweiten Pandemiefrühling, allein fühlt sie sich nicht. "Mein Beruf ist einsam, das war schon immer so, aber ich langweile mich nicht", erzählt sie. In ihrem Atelier steht Ruth Kohler nach wie vor jeden Tag vor den Leinwänden und malt. Das hat sich mit Corona nicht geändert.

Seit 1972 lebt Ruth Kohler in Münsing. Nach Stationen in der Grafikschule Nürnberg, der Akademie der Bildenden Künste in München und Kunstausstellungen in New York, Berlin, Paris und London ließ sie sich mit ihrem Mann, dem Dokumentarfilmer Werner Prym, im Landkreis nieder. Dort hat sie ein Haus mit Garten und findet, dass das mit dem Abstand und dem Mundschutz nicht so schlimm ist, zumindest am Land. Man müsse halt die Regeln befolgen.

Wenn Ruth Kohler über die Pandemie spricht, denkt sie an ihre Jugend zurück. Sie ist Kriegskind, geboren 1929 in Fürth. "Das war schlimm, da hat man viel gelernt fürs Leben", sagt sie. Eine Ausgangssperre gab es auch damals, wegen der Bomben. Abends mussten die Menschen die Fenster verdunkeln.

Außerdem habe es an allem gefehlt. Die Kinder hätten Holzscheite in die Schule zum Heizen mitgenommen, aus den Sohlen von alten Schuhen seien Pantoffel genäht worden und aus Büchsen hätten Kinder Trommeln gebastelt. "Wenn die Leute heute jammern, dass sie jetzt zu Hause für die Familie kochen müssen, verstehe ich das nicht", sagt Kohler. "Nach dem Krieg hatten wir kaum Lebensmittel, wir haben auf den Feldern Bucheckern gesammelt und zum Müller gebracht, damit er sie zu Mehl mahlen kann."

Die Not hat die junge Ruth Kohler damals erfinderisch gemacht. Sie war mit den anderen Kindern viel draußen, im Wald und auf den Feldern unterwegs, hat Kräuter gesammelt, aus primitiven Hölzern Spielsachen gebaut und kindliche Reime geschrieben. Das war eine schöne Jugend, sagt sie: "Wir waren kreativ." Ein solcher Einfallsreichtum werde heute nicht mehr gefordert. Die Kinder hierzulande hätten ja alles. Man könne heute eben alles Nötige online bestellen. Mit dem Internet und dem Smartphone gebe es einerseits viele Möglichkeiten, miteinander zu kommunizieren. Andererseits breche für die Menschen heute die Welt zusammen, wenn das Internet mal nicht funktioniere, sagt sie. "Wir haben uns abhängig gemacht von der Technik."

Die Künstlerin glaubt, dass die fehlenden Erfahrungen mit anderen Krisen es für die jungen Leute so schwer mache, die Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie ein- und auszuhalten. Außerdem fehlten Sport und Kultur, "das kann man sich nicht einfach holen". Und trotzdem sieht sie auch hier Möglichkeiten, die das Internet bietet. Man könne lesen und Ausstellungen online besuchen. Ruth Kohler hat sich kürzlich eine Oper angeschaut. Das sei grandios gewesen, sagt sie. Auch wenn es nicht dasselbe gewesen sei wie ein Live-Erlebnis.

Dass die Situation für Familien in Stadtwohnungen nicht so einfach sei wie am Land, dafür hat Ruth Kohler Verständnis. Sie rät den jungen Leuten von heute deshalb, Fantasie walten zu lassen. Nur nicht aufgeben, denn aus jeder Situation könne man etwas machen. "Sie sollen zeichnen, schreiben, ihre Ideen verwirklichen. Vielleicht haben die Jugendlichen keine Ideen mehr, ich weiß es nicht. Aber ich glaube, man muss den jungen Leuten Mut machen."

© SZ vom 10.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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