Biografischer Abend:Ein bisschen Tölzer

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Theo Waigel ist öfter in Bad Tölz - seine Tochter ist mit dem Dritten Bürgermeister verheiratet. (Foto: Manfred Neubauer)

Der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel spricht in der Franzmühle über sein Leben - und über seine persönliche Verbindung zur Kurstadt

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Im April ist Theo Waigel 80 Jahre alt geworden und hat seine Autobiografie "Ehrlichkeit ist eine Währung" veröffentlicht. Etwa 70 Zuhörer sind am Montag zu seiner Lesung in die Franzmühle gekommen. Waigel, langjähriger Bundesfinanzminister und CSU-Vorsitzender, unterhielt die Zuhörer mit persönlichen Erinnerungen und humorvollen Anekdoten. Zahlen und Daten aus jahrzehntelanger politischer Arbeit hatte er mühelos parat, überhaupt wirkte der 80-Jährige mit den markanten Augenbrauen deutlich jünger.

Mit Bad Tölz ist Waigel auch persönlich verbunden: Seine Tochter ist mit dem Dritten Bürgermeister Christof Botzenhart verheiratet. Auch politische Beziehungen gab es: Denn Waigel wickelte als Bundesfinanzminister den Verkauf der Flintkaserne ab. Den Preis hätten damals viele für zu hoch gehalten, sagte Moderator Christoph Schnitzer. Eine Kritik, die Waigel nicht gelten lassen wollte: Sein Ministerium habe den Wert auf 120 Millionen Euro taxiert, die Stadt hielt ein Gutachten über 16 Millionen dagegen. "Einen Kompromiss zu finden, war nicht ganz einfach", sagte Waigel. Bei der Konversion ehemaliger US-Kasernen habe man den Kommunen damals eine einmalige Chance gegeben, denn der Bund habe nur die Hälfte des Verkehrswerts angesetzt und zugunsten der Kommunen auf "viele Milliarden verzichtet."

In seiner Lesung räumte Waigel seiner Jugend im schwäbischen Krumbach breiten Raum rein. Der Tod seines Bruders, der 1944 als 18-Jähriger in Lothringen gefallen ist, habe ihn sehr geprägt. Waigel zitierte aus Briefen - berührende Dokumente, "die der Nachwelt ein Zeugnis geben von der Sinnlosigkeit des Krieges". Dass die AfD die Echtheit der Briefe in einem Zeitungsartikel in Frage gestellt habe, macht ihn wütend. "Gegen die AfD werde ich kämpfen, solange ich ein Herz und einen Verstand habe."

Die Wiedervereinigung erlebte Waigel 1989 als neuer Bundesfinanzminister. "Gorbatschow war ein Glück für uns", sagte Waigel. Dieser habe nicht dem Druck Honeckers nach einem militärischen Eingreifen nachgegeben. "Ich wünschte mir, dass wir heute noch eine Atmosphäre wie damals zwischen Deutschland und Russland hätten." Zwölf Milliarden Mark habe er dem russischen Finanzminister dafür gezahlt, dass eine Million bewaffneter Russen und Zehntausende von Panzern von deutschem Boden verschwanden. Ein Schnäppchenpreis, der russische Finanzminister leide bis heute unter einem "Waigel-Trauma".

1992/93 rang er mit Edmund Stoiber um die Nachfolge von Max Streibl als bayerischer Ministerpräsident. Waigel zog zurück, weil die Medien seine Beziehung zur Skirennläuferin Irene Epple öffentlich machten, die er 1994 in zweiter Ehe heiratete. Er gilt als Namensgeber für den Euro, ein Vorschlag, den sein Freund Jean-Claude Juncker damals als "wenig erotisch" befunden habe. Der Euro habe schwere Zeiten hinter sich, aber eine gemeinsame europäische Währung sei auch ein Friedensprojekt.

Auch als Präsident der Münchner Löwen war Waigel im Gespräch. Er sei seit 73 Jahren Fan des Vereins. Aber Präsident? "Ich habe in meinem Leben manchen Fehler gemacht", sagte er launig, "aber den mache ich nicht."

© SZ vom 16.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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