Bilanz nach 18 Jahren:"Man muss sehr robust ein"

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Luise Gams zieht sich als Lenggrieser SPD-Gemeinderätin zurück. Sie ist zufrieden mit dem Geleisteten, doch die Lokalpolitik ist aus ihrer Sicht immer noch eine Männerdomäne.

Von Suse Bucher-Pinell

Frustriert sei sie nicht, sagt Luise Gams. Aber nach 18 Jahren Engagement habe sie die Kraft für das politische Mandat nicht mehr. (Foto: Manfred Neubauer)

Luise Gams macht seit 18 Jahren Kommunalpolitik für die SPD. Jetzt hört sie auf, auch ihr Mandat im Kreistag, dem sie acht Jahre lang angehört hat, gibt sie ab. Nur den SPD-Ortsvereinsvorsitz in Lenggries behält sie vorerst noch. Die 58-Jährige hat zwei erwachsene Kinder und lebt in Lenggries.

SZ: Frau Gams, Sie sind erst 58, eine Kandidatur ginge doch noch.

Luise Gams: Das wäre genau noch die Periode bis zum Rentenalter. Ich habe aber die Kraft nicht mehr.

Sind Sie frustriert?

Nein. Aber ich mache das jetzt seit 18 Jahren. Die SPD ist eine kleine Truppe, wir können weder im Ort noch im Kreis die Aufgabe auf viele Leute verteilen wie die große CSU. Eine Woche mit vier Abendterminen ist für uns keine Seltenheit.

Wie wär's mit mehr Mitstreitern?

Das hat nicht funktioniert, wir sind ein kleiner Ortsverein und überaltert. Junge Leute wollen ihre Freizeit nicht so gerne für Verpflichtungen opfern. Für die Gemeinderatswahl haben wir nicht einmal eine Liste zusammengebracht, deshalb tritt die SPD in Lenggries diesmal gar nicht an.

Wie geht es weiter mit dem Ortsverein?

In einem Jahr stellt sich die Frage, wer welche Posten übernimmt. Wenn ich nicht mehr will, wird das wahrscheinlich auch ein Problem werden.

Das langsame Ende der SPD in Lenggries - wie geht es Ihnen dabei?

Schlecht, auch wenn ich mich nicht so anhöre. Ich habe bereits losgelassen. Am Anfang war ich total frustriert, aber irgendwann ist der Gedanke, den ganzen Stress nicht mehr zu haben, auch schön. Ich bin auch privat ziemlich gefordert. Irgendwann denkt man, dass es ein bisschen was anderes im Leben auch noch gibt.

Wollen Ihre Kinder nicht in Ihre Fußstapfen treten?

Mein Onkel Georg Simson hat mich damals in die Politik geholt. Aber meine Kinder wollen nicht. Sie würden es nur mir zuliebe machen. Sie arbeiten in München, sind 13 Stunden außer Haus. Am Anfang ihres Berufslebens ist den jungen Leuten ihre Karriere wichtiger.

Wie sieht Ihre Bilanz nach 18 Jahren kommunalpolitischer Arbeit aus?

Ich würde es sofort wieder machen, weil es wahnsinnig interessant ist. Es gibt so viele Themen, über die man sich normalerweise nie Gedanken machen würde. Das hält geistig fit. Aber ich muss schon sagen, dass ich das alles nur geschafft habe, weil ich nicht in die Arbeit musste.

Sie sind eine von vier Frauen im 20-köpfigen Gemeinderat. Hat sich in 18 Jahren etwas verändert?

Ein Gemeinderat ist immer noch eine Männerdomäne. Wir Frauen werden in Lenggries gut aufgenommen, wir sind gleichberechtigt. Aber man muss sehr robust und darf nicht empfindlich sein. Bloß weil man eine Frau ist, bekommt man keine Sonderbehandlung.

Sind Sie robust?

Ja, ich bin so. Sonst könnte ich das alles nicht machen.

Liegt es daran, dass sich so wenig Frauen in die Politik trauen? Unter den 40 Bewerbern für den Lenggrieser Gemeinderat sind auf der CSU-Liste sechs Frauen, bei den Freien Wählern sind es sogar nur zwei.

Das Robuste spielt vielleicht gar nicht die große Rolle. Ich glaube, es ist eher der Zeitaufwand, den junge Frauen mit Familie oder noch frisch im Beruf nicht aufbringen können. Wenn auch heute mehr Männer im Haushalt mithelfen, so bleibt doch immer noch sehr viel an den Frauen hängen.

Also ein gesellschaftliches Problem?

Manche Frauen trauen sich ein politisches Amt auch nicht zu und stellen ihr Licht unter den Scheffel. Vielleicht haben einige auch Probleme mit dem Partner. Es kann nicht jeder Mann ertragen, dass seine Frau besser dasteht als er.

Haben es Frauen in der SPD leichter als in anderen Parteien?

Als Frau hat man in der SPD eine gewisse Stellung, man wird geschätzt. Bei der CSU hat eine Frau nicht diesen politischen Stand. Dort darf sie nach meiner Beobachtung eher mitlaufen, sie bekommt bestimmte Posten, darf sich um Senioren kümmern. Die politische Arbeit in der CSU machen schon die Männer.

Bei der SPD ist das anders?

Bestimmt. Ich als Frau habe mich da wesentlich besser aufgehoben gefühlt.

Haben Sie als Frau denn Spuren in der Kommunalpolitik in Lenggries hinterlassen?

Ich bin Kindergartenreferentin. In dieser Zeit ist viel passiert. Statt nur einer Vormittags- und Nachmittagsgruppe gibt es jetzt Angebote bis hin zur Krippe. Ich glaube, ganz unschuldig bin ich daran nicht. Wir als SPD haben damals den Antrag gestellt, den Bedarf für eine Krippe abzufragen. Mittlerweile ist die CSU ja auch voll auf dem Trip.

© SZ vom 15.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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