Bichl:Computermaus ohne Ausbeutung

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Susanne Jordan kämpft mit ihrem Verein "Nager IT" gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen in Herstellerländern

Von Christa Gebhardt, Bichl

Sie hat es gerne einfach und lebt auch so in der alten verwilderten Ziegelei in Bichl. Susanne Jordan bewohnt ein winziges Zimmer unter dem Dach in der Bauernhaus-WG, dort entwickelte sie vor gut sechs Jahren den Bauplan für die fairste Computermaus der Welt. Eigentlich sollte es ein ganzer Computer werden, aber ihr technisch versierter Bruder riet ihr, sie solle erst einmal klein anfangen. Also begann sie Computermäuse aufzuschrauben, um deren Innenleben kennen zu lernen. Die studierte Geografin aus Weilheim hatte damals eben so wenig Ahnung wie die meisten Leute. Allerdings war sie wild entschlossen, etwas gegen die unmenschlichen Arbeitsbedingungen in der Computerwelt zu tun.

Jedermann könne wissen, unter welchen Bedingungen das eiförmige Plastikding auf dem Schreibtischen hergestellt wird, meint sie. Von Arbeitern ohne Schutzkleidung gegen giftige Chemikalien, mit unmenschlich vielen Überstunden, bei Hungerlöhnen und Strafkürzungen, unter Isolation und Abhängigkeit. Aber die wenigsten unternähmen etwas dagegen. "Warum ist das so?" fragt Jordan. Das will ihr nicht in den Kopf. Es gebe Forschungen darüber, warum sich viele Menschen nicht für eine bessere Welt einsetzten, erklärt sie, dabei würde jedes einzelne Milligramm zählen, um die Waagschale zwischen "Gut und Böse" auf die gute Seite sinken zu lassen.

Computermäuse bietet Susanne Jordan als Fair-Trade-Produkt an. Dazu hat sie den Verein "Nager -IT" gegründet. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Jordan gründete den Verein "Nager IT". Sie recherchierte in mühevoller Kleinarbeit, denn es gibt keine Institute und Zertifizierungsstellen, die Bauteile, Lieferketten oder Arbeitsbedingungen auflisten. Über Scrollrad, LED-Leuchten, Lochscheiben und Sensoren, den Bauteilen einer handelsüblichen PC-Maus, kam sie an die beteiligten Firmen. Hersteller von Vorbauteilen und Zulieferer in China zu befragen, hatte wenig Sinn. Also fuhr sie hin. Sie kündigte ihren Job, nahm einen Kredit auf und besuchte einschlägige Fabriken in China. "Alle denken, die lassen einen gar nicht rein", sagt sie, aber so schwierig sei es gar nicht gewesen. Begleitet wurde sie zufällig von einem Mitarbeiter einer kleinen Menschenrechtsorganisation aus Honkong, der für sie übersetzte.

Während die männlichen Vorarbeiter nichts sagten, antworteten die Arbeiterinnen an den Fließbändern, meist ganz junge Frauen, von denen manche wie 14 aussahen, auf ihre Fragen. "Niemand beschwerte sich, aber ich konnte mir ein Bild machen über die eben nicht existierenden Standards, die bei uns geltendes Arbeitsrecht sind." Sie nahm mit den großen Konzernen Kontakt auf und kassierte Absagen. "Da zählt der Profit". Mehr Glück hatte sie bei kleineren Firmen.

Die Leiterplatte der Nager-IT-Maus wird in Ost-und Norddeutschland hergestellt. Zusammenbau und Versand übernimmt eine Integrationswerkstatt in Regensburg. Der Großteil der fair produzierten Einzelbauteile stammt aus Japan oder Israel. Aber beim Abbau der nötigen Rohstoffe in Minen in China, Indonesien oder im Kongo herrschen noch immer schreckliche Arbeitsbedingungen. Ihre Nager-Maus sei deshalb erst zu zwei Dritteln fair hergestellt, sagt Jordan und erklärt das anhand der Lieferkette, die man auch auf ihrer Website www.nager-it.de studieren kann. In der untersten Reihe der Lieferkette der benötigten Rohstoffe von Silizium, über Zinn bis Nickel sind die Kästchen noch Rot. Rohstoffgewinn und -handel sind bisher undurchsichtig. "Es wäre so einfach, für die großen Konzerne in den fairen Handel einzusteigen", sagt die Geografin. "Sie könnten Druck machen und hätten die Imagepflege dazu, aber sie tun es nicht." Die vier bis sechs Mitarbeiter des Nager-Vereins berechnen sich selbst 15 Euro pro Stunde. Sie nimmt diesen Lohn allerdings oft nicht. Sie brauche nicht so viel, sagt sie.

Jordan könnte das Ganze als Vorzeigeunternehmen aufziehen, eine Art Kultprodukt aus ihrer fairen Maus machen. Das haben ihr schon Viele geraten, aber es interessiert sie nicht. Ein ganztägiger Bürojob als Managerin sei nichts für sie. Lieber kellnert sie in einem Bio-Café, engagiert sich für Hilfsorganisationen und hält gelegentlich Vorträge an der TU München. Einige Studenten wollen ihr nacheifern und eigene Projekte starten.

© SZ vom 31.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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