Beten in Lenggries:Ein neuer Heiland

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Ein mysteriöser Stifter bestellt in der Pfarrkirche von Lenggries vier Messen - auf dass ein guter Bürgermeister kommen möge.

Von Petra Schneider, Lenggries

In psychologischen Fachblättern mehren sich Aufsätze zu einem neuen Krankheitsbild, das verstärkt in den Vereinigten Staaten und Großbritannien auftritt. Als Symptome nennen die Psychologen Paranoia, Angstzustände, Depressionen, Schlafprobleme und Konzentrationsstörungen. TAD haben die Wissenschaftler dieses krankmachende Gefühl von Machtlosigkeit, Unsicherheit und chronischer Sorge genannt, das sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der politischen Situation sehen. "Trump Anxiety Disorder" heißt das Krankheitsbild deshalb. Oder analog dazu: "Brexit Anxiety Syndrome", kurz BAS.

Auch in Lenggries sind die Zeiten vergleichsweise unsicher. Denn nach 24 Jahren steht ein Wechsel im Rathaus an. Dauerbürgermeister Werner Weindl (CSU) tritt nicht mehr zur Wahl an. Ein Wunder wäre es deshalb nicht, wenn die Bürger schlecht schlafen und schwer träumen würden. Denn um die großen Projekte - den Umbau des Gasthofs Post, den Neubau des Pflegeheims oder die Zukunft des Kasernenareals - muss sich künftig jemand anderer kümmern.

Die Anwärter stehen nicht gerade Schlange. Bisher hat sich nur Christine Rinner (CSU) als Kandidatin hervorgetraut. Und ausgerechnet in dieser Situation haben auch noch langjährige Stützen die Verwaltung verlassen: Geschäftsleiterin Heidi Kiefersauer ist in Elternzeit, Bauamtsleiter Toni Bammer hat sich ins Rathaus nach Bad Wiessee verabschiedet. Mit Tobias Riesch, der zuvor in Bad Kohlgrub beschäftigt war, ist seit 1. Oktober zwar ein neuer Geschäftsleiter gefunden, noch nicht nachbesetzt ist allerdings die Leitung des Bauamts.

Auch im Gemeinderat dürfte es ungemütlicher werden: Die Kuschel-Kooperation aus CSU und Freien Wählern könnte bald der Vergangenheit angehören, denn auch SPD und Grüne werden wohl in den neuen Gemeinderat einziehen - Diskussionen und andere Nebenwirkungen eingeschlossen. Droht in der Brauneckgemeinde nun also ein LAS, ein "Lenggries Anxiety Syndrom"?

Um derartiges zu vermeiden, hilft nur noch beten. Das hat sich wohl ein Bürger gedacht und Beistand von ganz oben erbeten. Insgesamt vier Messen wurden bei Pfarrer Josef Kraller bestellt, zum Preis von je fünf Euro: "Für einen künftigen guten Bürgermeister." In der Gemeinde wird fieberhaft gerätselt, wer der Auftraggeber sein könnte. Bürgermeister Weindl, der im Kirchenchor singt, weiß nichts, findet aber, beten könne nichts schaden.

Christine Rinner kann auch nichts Näheres zu dem mysteriösen Stifter sagen, war aber bei einer der Messen in der Pfarrkirche Sankt Jakob. "Wenn schon für mich als Bürgermeisterkandidatin eine Messe gelesen wird, dann gehe ich da auch hin", sagt sie schelmisch. Zwei Mal haben die Lenggrieser noch Gelegenheit, für einen guten künftigen Rathauschef oder eine Chefin zu beten - dann ist von spiritueller Seite wirklich alles getan. Nächstes Jahr im März sind dann die Wähler gefragt.

© SZ vom 09.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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