Besonderer Abend in der Alten Madlschule:Die Magie der Raunächte

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Rockten die Raunacht: Whiskey'n'Gin-Frontfrau und Sängerin Nicole Müller-Pürzer, Sebastian Schwarzenberger (li.) und Sepp Müller. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Band "Whiskey'n'Gin" vermengt neu interpretierte Rock-Klassiker mit den Sagen und Märchen der Haus- und Hofhexe Katharina Ritter - eine charmante Kombination mit Suchtpotenzial

Von Thekla Krausseneck, Bad Tölz

Rockmusik ist nicht unbedingt das, was man in den Raunächten erwartet - denn die sind traditionell ruhig und besinnlich, von dem geisterhaften Getöse der Wilden Jagd einmal abgesehen. Die Formation Whiskey'n'Gin versteht es, die Raunächte mit rockigen Riffs zu verzaubern - und mit ihnen die gut 100 Besucher der Kulturbühne Lust in der Alten Madlschule, die sich das fabelhafte Ergebnis am Samstag in Bad Tölz angehört haben. Das Rezept lautet: neuinterpretierte Klassiker wie "Tainted Love" von Soft Cell und "Fields of Gold" von Sting werden mit den Geschichten der Haus- und Hofhexe Katharina Ritter vermengt: Hie etwas fürs Herz, da etwas für die Fantasie - fertig ist ein perfekter Winterabend Anfang Januar.

Zwar waren die Raunächte bereits vorüber, doch angesichts des Schnees und der Kälte, die Bad Tölz fest im Griff hatten, fiel das gar nicht auf. Die erste der Zwölf Nächte ist die des 21. Dezember, der Thomastag. "Der Ungläubige Thomas, der erst glaubte, dass Jesus tot war, als er ihm den Finger in die Wunde steckte", sagte Ritter, die mit ihren geflochtenen Zöpfen und dem schwarzen Samtrock ganz wunderbar in die Rolle der Hofhexe passte. Die Raunächte seien die Zeit, in der man etwa in die Zukunft sehen könne: Eine junge Frau, die neun Gehölze zu einem Kranz flechte und mit diesem auf dem Kopf aufs Wasser blicke, sehe darin das Gesicht des Zukünftigen. Auch Lottospielen sei in den Raunächten vielversprechend - mit Knödeln. "Ihr macht einfach in jeden Kloß einen Zettel mit einer Zahl. Und die Reihenfolge, in der sie dann beim Kochen im Wasser aufsteigen, das sind die Lottozahlen."

In Acht nehmen sollte man sich vor der Bertha, die vor allem in der Nacht vor Dreikönig umgehe. Manchmal sei sie die Gute Bertha - doch je katholischer die Region, desto böser der Geist. Als Gute Bertha segne sie mit einer Sichel und einem Entenfuß die Felder, im Schlepptau eine Schar Kinder, die ungetauft gestorben seien. Sie besuche auch Häuser, doch wer sie dort beobachte, den bestrafe sie hart - so habe sich einmal ein Mann versteckt und sie gesehen, dem habe sie sogleich den Schädel geöffnet und glühende Kohle hineingefüllt: "Der hatte das ganze Jahr über schreckliche Kopfschmerzen" - und wurde erst erlöst, als die Bertha das nächste Mal vorbeikam, zwölf Monate später.

Wenn Ritter erzählt, dann geschieht etwas Magisches. Aus dem Klopfen ihres Absatzes wird ein Pochen an einer Tür: Der Tod will die Bärenwirtin von Alberschwende abholen, damit sie die Apfelbäume im paradiesischen Garten der Frau Holle bestellt. Doch die Wirtin will noch nicht gehen und füllt den Tod mit Schnaps ab, bis er unverrichteter Dinge wieder geht - und dann, besoffen schwankend auf die Sense gestützt, wieder vor seiner Frau steht, die ihn vor lauter Ärger nicht mehr bei sich liegen lässt. Ein Schweizer Beamter will das Christkind nicht über die Grenze lassen, da es seinen Pass verloren hat - ein Mann findet das heulende Wesen mit der piepsigen Stimme und bringt es in einer Tüte Kaffeebohnen nach Österreich. Jeder Zuhörer in der Madlschule dürfte gesehen haben, wie das Christkind aus der Tüte zischte, hoch in den österreichischen Himmel hinauf - denn Ritter kann so etwas: kleine, lebhafte Filme in die Köpfe hexen.

Whiskey'n'Gin brilliert mit soliden Rocksongs, die dem Abend eine ungewöhnliche Atmosphäre verleihen. Wer Sagen auf die Bühne bringt, der mengt besinnlichere Musik bei, und nicht unbedingt "Don't be so shy" von Imany. Die Whiskey'n'Gin-Kombination hat ihren eigenen Charme und macht - nicht zuletzt Ritters wegen - ein bisschen süchtig. Die gute Nachricht gab's zur Zugabe: Frontfrau und Sängerin Nicole Müller-Pürzer hofft noch auf viele gemeinsame Abenden mit der Hofhexe.

© SZ vom 09.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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