Berg/Icking:Wer hat's erfunden?

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Die Künstler der Ateliertage Berg-Icking sind stolz darauf, vor 30 Jahren die Werkstattbesuche etabliert zu haben. Heuer zeigt die zusammengewachsene Gruppe Arbeiten zum Thema "(Mit-)Mensch"

Von Katja Sebald, Berg/Icking

Die Legendenbildung hat längst eingesetzt. Wie hat denn nun eigentlich alles angefangen? Und wie kam es, dass gleich am Anfang das ZDF mit einem Kamerateam anrückte? Es muss wohl im Jahr 1987 gewesen sein, als eine Handvoll Künstler am Ostufer des Starnberger Sees erstmals ihre Ateliertüren öffneten, um Besuchern die Möglichkeit zu geben, Kunst direkt am Ort ihres Entstehens zu erleben. Auch wenn die 14 Künstler, die sich jetzt zum Interview in der Werkstatt von Hans Panschar versammelt haben, sich nicht mehr auf die genaue Jahreszahl einigen können, so sind sie sich doch einig, dass die "Ateliertage Berg-Icking" von der Malerin Hannelore Jüterbock in Allmannshausen erfunden wurden und dass sie in diesem Jahr zum 30. Mal stattfinden.

Seit wann jeder einzelne dabei ist, das ist eine andere Geschichte: "Das ist doch Geschichtsklitterung", ruft Sebastian Heinsdorff über den Tisch, denn er ist sich sicher, dass er im Jahr 2000 schon dabei war, nicht erst von 2004 an. Lucie Plaschka korrigiert ebenfalls die Jahreszahl ihres Beitritts und ein paar andere auch. Aber Zahlen sind nicht so wichtig. "Aus dem Chaos entstehen die besten Dinge", sagt Petra Jakob, seit vielen Jahren Organisatorin der Künstler, die auf "Vereinsmeierei" gerne verzichten: "Ich fühle mich eher wie ein Hütehund, der seine Herde umkreist."

"Porträt von Franz als Haus" heißt die Holzskulptur von Teresa Erhart.

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(Foto: privat)

Adidal AboutChamat spielt mit Vorurteilen.

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(Foto: privat)

Ganz andere Assoziationen zum Thema (Mit-)Mensch wecken die Arbeiten von Rüdiger Mertsch.

Petra Jacob deutet menschliche Formen nur an.

Die Debatte gehört dafür zu den Prinzipien der Gruppe. Legendär sind die langen Abende im Herbst, an denen sich die Künstler versammeln, um ein Thema für das kommende Jahr zu finden. Zu denen, die von Anfang an dabei waren, gehören auch Gerdi Herz, Gitta Wiederholt, Dazze Kammerl und Gerd Jäger. Juschi Bannaski sagt: "Wir sind stolz darauf, dass wir die ersten waren." Und stolz sind die Künstler auch darauf, dass aus der Zweckgemeinschaft längst Freundschaft geworden ist. Auf die Frage, was sie zusammenhält, bricht sogleich wieder Chaos am Tisch aus, alle rufen durcheinander. Man einigt sich schließlich scherzhaft auf: "Die Liebe, der Suff und die Gewohnheit."

Die gemeinsamen Themen, die sich die Künstler seit 1999 alljährlich stellen, haben sie noch enger zusammengeschweißt. 2008 entstanden aus dem Thema "Götterspeise" ein überbordend üppiger, alle Sinne verführender Augenschmaus und ein rauschendes Fest im Marstall. 2009 ging man mit den "Wandelwerken" noch einen Schritt weiter: Immer drei Künstler bearbeiteten nacheinander das selbe Werk. "Der Austausch mit anderen schöpferisch Tätigen ist eine höchst interessante Erfahrung", sagt Sebastian Heinsdorff. Und Dazze Kammerl bringt es auf den Punkt: "Gemeinsam ist man stärker als allein." Aber man darf noch einen Schritt weiter gehen: Aus der chaotischen Truppe ist eine Künstlergruppe geworden, die sich nach außen hin fest in der Kulturszene positioniert hat und in ihrem Inneren konstruktive künstlerische Auseinandersetzungen pflegt.

Zunächst war das Ganze als Experiment gedacht. Niemand hätte erwartet, dass es drei Jahrzehnte später immer noch Ateliertage gibt. Und dass diese Idee an so vielen anderen Orten aufgegriffen und weitergetragen wird. In den Anfangsjahren kamen die neugierigen Besucher sogar in Reisebussen. "Viele wollten einfach nur die Häuser von innen sehen", erinnert sich Sabine Beck. Das aber hat sich längst geändert: Ein sehr interessiertes, treues Publikum begleitet kritisch Entwicklungen einzelner Künstler. "Manche kommen seit 30 Jahren", sagt Hannelore Jüterbock. Einen Atelierbesuch empfänden die meisten viel intensiver als eine Ausstellung. Wichtig sei aber auch der "Puffer der Landschaft" zwischen den Stationen der Kulturrundfahrt. Den persönlichen Austausch schätzen die Besucher und die Künstler gleichermaßen. Für letztere sind die Ateliertage "so etwas ähnliches wie Weihnachten": Erst macht man Inventur - und dann herrscht eine ganz besondere Ausnahmestimmung.

Die Ateliertage Berg-Icking finden am 24./25. September und am 1./2. Oktober statt. Jeweils am Samstag von 14 bis 19 Uhr und am Sonntag von 11 bis 19 Uhr sind in 16 verschiedenen Ateliers Arbeiten zum Thema "Mitmensch" von 23 Künstlern zu sehen. Infos unter www.atelier-tage.de.

© SZ vom 22.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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