Benediktbeuern:Zu wenig Spannung, Geheimnis und Tiefe

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Die Camerata Andechs setzte zwar auf dynamische Abstufungen, doch damit alleine wurde sie den Ausdrucksmöglichkeiten der Partitur nicht gerecht. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die "Camerata Andechs" wird Mozarts Requiem bei den "Benediktbeurer Konzerten" nicht gerecht

Von Sabine Näher, Benediktbeuern

Die Reihe der "Benediktbeurer Konzerte", die an Sonntagnachmittagen in der Klosterbasilika erklingen, ist in der Region und darüber hinaus seit langem verankert und beliebt; etliche Besucher kommen gar aus München. So stehen eine Viertelstunde vor Konzertbeginn noch einige Interessenten vor der Konzertkasse, auf der ein "Ausverkauft!"-Schild prangt und hoffen auf eine zurückgegebene Karte. Drinnen wird es schwer, noch einen freien Platz zu ergattern.

An diesem Sonntag stand Mozarts Requiem auf dem Programm. Da es mit seiner rund einstündigen Aufführungsdauer nicht abendfüllend ist, stellt sich die Frage nach einem Begleitwerk. Andreas Schwankhart, Leiter der Camerata Andechs, die 1996 als Begleitorchester für die Andechser Chöre gegründet wurde, hatte sich für das Klarinettenkonzert KV 622 von Mozart entschieden. Eine Wahl, wie sie öfter getroffen wird, die dennoch nicht wirklich überzeugt, da das Konzert in einen sinfonischen Kontext gehört und im Rahmen eines geistlichen Konzertes immer etwas fremd wirkt. Doch solch rein formale Gründe können durch eine mitreißende Aufführung entkräftet werden. Diese wurde aber nur bedingt geboten. Schon die Orchestereinleitung des eröffnenden Allegros kam zwar forsch daher, bot aber wenig differenzierte Ausgestaltung. Der Solist an der Klarinette, Christophe Gördes, konnte zwar mit stärkerer Nuancierung aufwarten, doch ergab sich insgesamt eher ein "Stimmungsbild". Das ruhige, gesammelte Adagio entfaltete am meisten Atmosphäre. Letztlich aber ein weichgespülter Mozart, dem die Tiefe abging.

Das traf zum großen Teil auch auf das folgende Kernwerk des Konzertes, das Requiem, zu. Schon im Introitus spielte das Orchester weitestgehend zu direkt, so dass sich die wunderbare, geheimnisvolle Stimmung kaum entfalten konnte. Der Choreinsatz zeigte den Knabenchor collegium juvenum Stuttgart in an sich guter Verfassung, doch hätte auch hier mehr Transparenz und Differenzierung angemahnt werden können. In der Fuge des Kyrie fehlte die Zurücknahme der anderen Stimmen bei einem neuen Fugeneinsatz, so dass die Strukturen wenig erkennbar wurden. Das junge Solistenquartett (Katharina Burkhart, Theresa Holzhauer, Manuel Ried, Andreas Burkhart) konnte im Ensembleklang weitgehend überzeugen; solistische Qualität wiesen aber insbesondere Alt und Bass auf, die beide über schöne Stimmfarben wie Tragfähigkeit verfügten.

Dass man das Mozartsche Requiem als eines der meist aufgeführten Kirchenmusikwerke wirklich gut kennt und im Ohr hat, ließ das eine oder andere Defizit der Benediktbeurer Darbietung umso deutlicher werden. So kam das "Dies Irae" eben nicht als himmelstürmende Zornesgewalt, das "Rex tremendae majestatis" eben nicht mit überwältigender Majestät, und das "Confutatis" offenbarte eben nicht Hölle und Himmel im klanglichen Kontrast. Das "Lacrimosa" war nicht zart-schwebend und konnte seine wie jenseitige Wirkung nicht entfalten, aber eben da brach die Sonne durch den wolkenverhangenen Himmel, und so fiel wenigstens dieser Himmelsstrahl in die Benediktbeurer Basilika. Als Gestaltungsmittel dienten Schwankhart vor allem die dynamischen Abstufungen, was von der Auslotung aller in der Partitur enthaltenen Ausdrucksmöglichkeiten aber noch weit entfernt ist. So sollte das "Hostias" eindringlich intensiv wirken, was auch über eine gesteigerte Sprachbehandlung, die man dem Chor sicher hätte abverlangen können, zu erreichen gewesen wäre. Ähnliches gilt für das "Agnus Dei", das vor innerer Spannung vibrieren muss. Das abschließende "Lux aeterna" sollte wie vom Jenseits herüber wehen, konnte sein Mysterium aber nicht wirklich entfalten.

Erst das "Dona eis requiem" konnte einen mitreißenden Strom entwickeln und das "Cum sanctis tuis" Stringenz aufbauen. Aber dieser Fluss, der den Zuhörer auf- und mitnahm, konnte für die vorangegangenen Defizite nicht entschädigen. Die Aufführung blieb dem wunderbaren Werk in weiten Teilen die Tiefe der Ausgestaltung schuldig.

© SZ vom 29.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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