Benediktbeuern:Vom Charakter der Farben

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Anna Schölß hat an der Münchner Akademie Malerei und Grafik studiert. An der Hochschule Benediktbeuern hat sie einen Lehrauftrag. (Foto: Manfred Neubauer)

Anna Schölß stellt in der Alten Apotheke Benediktbeuern aus. In ihrer Rieder Künstler-WG erlebt sie Inspiration aus Musik, Tanz und Film

Von Petra Schneider, Benediktbeuern

"Color va Bene" heißt die kleine Ausstellung von Anna Schölß in der Alten Apotheke Benediktbeuern. Farbe möge nach Benediktbeuern kommen, und Farbe, das gehe immer gut, so erklärt die 32-jährige Künstlerin das titelgebende Wortspiel. Vor knapp zwei Jahren ist sie von München nach Ried bei Kochel gezogen, und so sei die Ausstellung auch ein Tribut an ihre Wahlheimat.

Landschaften findet man auf den Ölbildern freilich nicht, es sei denn, man will in den abstrakten, farbintensiven Formen die Benediktenwand sehen, wie neulich ein Ausstellungsbesucher. Darüber freut sich Schölß: "Wenn der Betrachter frei assoziieren kann, weil das Bild kein konkretes Motiv vorgibt, dann ist das so, wie ich mir das wünsche." Wenn Schölß über Farben spricht, über das kühle Blau und Türkis, das sie gerne verwendet und, wie in der Serie "No Heating", mit heißem Rot kontrastiert, dann nicht wie über nüchternes Arbeitsmaterial. "Farben haben ein Eigenleben und einen Charakter, den ich hervorholen möchte." In einem "intuitiven Malprozess" setzt sie schwebende, meist runde Farbkörper in abstrakte Räume und beobachtet, was passiert. Manchmal verlaufen Ränder und werden zu filigranen Stängeln oder Quallententakeln. Manchmal bricht die glatte Oberfläche auf, wenn Schölß Öl mit Sprühlack mischt. Denn auch die Brüche in den harmonischen Bildwelten will sie zeigen, mit der Farbe in die Tiefe gehen und haptische Reize setzen.

Ihre Leidenschaft für Raum und Farbe spiegelt sich in ihrer Ausbildung wider: Schölß hat Bühnen- und Kostümbild studiert, dann Malerei und Grafik und vor vier Jahren mit dem Diplom an der Akademie der Bildenden Künste in München abgeschlossen. Ihre Arbeiten hat sie bei Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt und diverse Stipendien bekommen. Sie gibt Workshops und hat einen Lehrauftrag an der Fachhochschule Benediktbeuern im Fachbereich Kunstästhetik und Medien. Nach Jahren in Städten habe sie das Bedürfnis nach Ruhe und Natur aufs Land gezogen, sagt die gebürtige Ingolstädterin. Zu provinziell sei es ihr im Oberland nicht, sie fühle sich hier sehr gut aufgehoben. Dass zur Vernissage viele Besucher gekommen seien, auch Einheimische, habe sie gefreut.

Das Haus in Ried, in dem sie mit vier Mitbewohnern in einer Künstler-WG lebt, liegt in Sichtweite des ehemaligen Wohnhauses von Franz Marc. Eine inspirierende Nachbarschaft, die auch in ihre jüngsten Siebdruckarbeiten Eingang gefunden hat. Anregend sei auch das Zusammenleben und -arbeiten mit Künstlern aus den Bereichen Musik, Tanz und Film. Zum Beispiel bei "Wüsten VIII", einer Arbeit mit den Mitbewohnern Marcel Zaes und Cornelia Adam: Zeltstangen in der Wüste, eine Tänzerin inmitten der Objekte, Klangelemente. Drei Tage sind die Künstler mit Beduinen und der Installation im Gepäck durch die ägyptische Wüste gezogen. Was passiert, wenn man diesen inszenierten Wüstenraum nun in eine geschlossene Galerie transponiert, nach Kairo, München, Bremen, Bern? "Die Objekte bleiben gleich, aber die Wahrnehmung ändert sich mit dem Kontext", hat Schölß festgestellt.

Die Dialektik Kunst-Leben ist auch Thema der Arbeit "Hinterland Home Edition", für die Schölß und der Tonkünstler Marcel Zaes im vergangenen Jahr den "Kunstschub"-Preis der Stadt Bern gewonnen haben. Eine wunderbar originelle Arbeit, die es in der Ausstellung zu kaufen gibt: Weil Kunst alltagstauglich werden solle, finden sich in der auf 30 Stück limitierten Edition je ein doppelseitiger Siebdruck, eine Vinylscheibe mit 30-minütigen Klangsequenzen und eine Gebrauchsanleitung mit Skizzen. Sie ist aufgemacht wie eine Ikea-Anleitung, eine Art "Bausatz für die Galeriesituation zu Hause": Stuhl aufstellen, Nagel in die Wand, Druck aufhängen, entspannte Sitzposition einnehmen und das audiovisuelle Kunstwerk rezipieren. Der Prozess des Kunstkonsums wird so selbst zur Performance.

Alte Apotheke Benediktbeuern, Kocheler Straße 14, Ausstellung bis 16. August, geöffnet Freitag 14 bis 17 Uhr, Samstag/Sonntag 10 bis 12 Uhr und 15 bis 17 Uhr. Workshop 15. August, 10 bis 17 Uhr.

© SZ vom 07.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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