Benediktbeuern:Musik als Wegbereiter des Hasses

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Journalist Thies Marsen eröffnete an der Katholischen Stiftungshochschule in Benediktbeuern die Ringvorlesung "Community Music & Media" und sprach über die Verbindungen von rechter Musik und rechter Szene. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Journalist Thies Marsen eröffnet eine neue Ringvorlesung in Benediktbeuern und spricht über die Rolle des Rechtsrock

Von Julian Erbersdobler, Benediktbeuern

Thies Marsen ist niemand, der unnötige Umwege macht. Der Journalist steht im Audimax der Katholischen Stiftungshochschule in Benediktbeuern, ihm gegenüber sitzen etwa 20 Studenten. Dann formuliert er seine These: "Den NSU hätte es ohne Rechtsrock nicht gegeben." Danach wird er mehr als zwei Stunden über den "Nationalsozialistischen Untergrund" sprechen. Über das Kern-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe. Über deren fremdenfeindlichen Morde. Über deren Ideologie und über die Rolle rechter Musik.

Die Dekanin Annette Eberle hat den Münchner Journalisten eingeladen, die neue Ringvorlesung "Community, Music & Media" an der Hochschule in Benediktbeuern zu eröffnen. Neben Marsen werden bis zum Jahresende auch noch der Medienpädagoge Sebastian Ring, die Musikpädagogin Alicia de Banffy-Hall und der SZ-Chefredakteur Wolfgang Krach sprechen. Thies Marsen bezeichnet die Dekanin in ihrer Vorrede als einen der "renommiertesten" politischen Beobachter der Szene. Noch am Tag seines Auftritts in Benediktbeuern war er im NSU-Prozess, der nun schon seit Mai 2013 läuft, seit mehr als 400 Verhandlungstagen. Marsen berichtet von Beginn an über das Verfahren. Seit 1998 arbeitet er als freier Journalist für den Bayerischen Rundfunk und andere ARD-Anstalten.

"Rechtsrock ist bis heute die Subkultur, die Menschen wie Mundlos und Böhnhardt an die rechte Szene herangeführt hat", sagt er. Die Musik liefere Ideologie, Hass und die entsprechenden Parolen. Aber nicht nur das. Einige Lieder seien wie Anleitungen zu verstehen, zum Bombenbau, aber auch zum Abtauchen in den Untergrund. "Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe hatten ein Netzwerk des Rechtsrocks hinter sich", sagt Madsen. Die Unterstützer hätten dem Trio Geld, Wohnungen und vermutlich auch Waffen besorgt.

In seinem Vortrag kommt er auch immer wieder auf "Blood & Honour" zu sprechen, zu Deutsch Blut und Ehre. In Deutschland ist das Neonazi-Netzwerk dieses Namens seit dem Jahr 2000 verboten. "Das heißt aber nicht, dass die Protagonisten einfach verschwunden sind", sagt Marsen. Nach seinen Recherchen gibt es jede Menge Parallelen, jede Menge Berührungspunkte zwischen dem NSU und "Blood & Honour"-Mitgliedern. "Es ist offensichtlich, dass es in jeder Stadt, in der ein Mord stattgefunden hat, auch ein Netzwerk an Helfern gegeben haben muss." Anders seien viele der Taten gar nicht zu erklären, gerade in Bayern.

Woher etwa wussten die Täter von einer Änderungsschneiderei Abdurrahim Özüdoğru (2001 erschossen), die versteckt in einem Nürnberger Hinterhof lag? Wieso wählten sie den Münchner Theodoros Boulgarides als Opfer (2005 ermordet), dessen Schlüsseldienst erst zwei Wochen vor dem Mord eröffnet wurde? Insgesamt tötete der "Nationalsozialistische Untergrund" zehn Menschen zwischen 2000 und 2007, neun Migranten und eine Polizistin.

Während seines Vortrags zeigt Thies Marsen auch einige Bilder. Wieder und wieder die selben Symbole, die selben Zahlen. Die 18 als Code für Adolf Hitler zum Beispiel. Dann kommt er noch einmal auf die Musik zu sprechen. "Rechtsrock hat sich längst ausdifferenziert", sagt er. Mittlerweile gebe es auch Hip-Hop mit antisemitischen Parolen. Einige Lieder spielt er den Studenten auch vor. Ihr kleinster gemeinsamer Nenner: die hasserfüllten Texte.

Zur aktuellen Debatte um Farid Bang und Kollegah bei der Echo-Verleihung äußert sich Marsen auch. Es gebe heutzutage einige Künstler, die der Provokation alles unterordneten. Ist das Antisemitismus? "Das ist nicht ganz so leicht zu beurteilen", sagte Marsen dazu. Es sei "vor allem geschmacklos."

© SZ vom 02.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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