Benediktbeuern:Die Rolle fürs Leben

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Aja von Lerchenhorst hat Hunderte Mädchen und Buben fürs "Rieder Kindertheater" begeistert. Seit 40 Jahren lernen Zehn- bis Vierzehnjährige bei ihr weit mehr als Texte und Lieder

Von Stephanie Schwaderer, Benediktbeuern

Was treibt eine Frau dazu an, Jahr für Jahr Kinder zum Theaterspielen zu verführen? Mit ihnen Stücke zu entwickeln, für sie Lieder zu komponieren und sie zu ermutigen, aus sich herauszugehen? Aja von Lerchenhorst steht nicht gern im Mittelpunkt. Sie ist das personifizierte Gegenteil einer Rampensau. Und eine Drama-Queen, wie sie in keinem Buche steht. "Ich bin ein zurückhaltender Mensch", sagt die 70-Jährige. Deshalb ist es ihr fast unangenehm, nun im Barocksaal des Klosters Benediktbeuern die Isar-Loisach-Medaille entgegenzunehmen - die höchste Auszeichnung des Landkreises, die ihrer Ansicht nach "auch viele andere Menschen" verdient hätten.

Allein: Selten trägt ehrenamtliches Engagement so illustre und herzerfrischende Früchte wie beim Rieder Kindertheater, das Aja von Lerchenhorst vor 40 Jahren gegründet hat. Zuvor hatte sie als junge Lehrerin bereits Königsdorfer Hauptschüler mit dem Theatervirus infiziert. Kinder, die sich teilweise mit dem Lesen und Schreiben schwer taten, kamen freiwillig am Nachmittag zu ihr in die Theatergruppe. Gemeinsam "etwas so Schönes zu machen" sei für sie alle eine beglückende Erfahrung gewesen, erinnert sie sich.

Aja von Lerchenhorst bringt Kinder nicht nur zum Theaterspielen. Für jede Rolle komponiert sie auch ein kleines Lied. Wer schon einmal eine ihrer Aufführungen gesehen hat, weiß: Die jungen Schauspieler lieben das. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Dann war sie zum dritten Mal schwanger und verbrachte viel Zeit zu Hause in Ried. Am Spielplatz hängte sie einen Zettel auf: "Wer möchte Theater spielen?" Mehr als ein Dutzend Mädchen und Buben, alles Rieder Kinder, meldeten sich. Das war 1979. Seither hat sie jedes Jahr mit Zehn- bis Vierzehnjährigen ein Stück auf die Bühne gebracht. An "Momo" frei nach Michael Ende erinnert sie sich besonders gern, an "Füchse lügen nicht" (Ulrich Hub) oder "Der König in der Kiste" (Paul Maar).

Eine Aussage müsse ein Stück haben, sagt sie, "diesen Anspruch habe ich". Ansonsten gibt es für sie nur ein Kriterium: "Dass es den Kindern Spaß macht. Sonst kann man es gleich sein lassen." Auch sie habe als Mädchen Theater gespielt, erzählt sie. Daher wisse sie, wie befreiend es sein kann, die Schüchternheit abzulegen, in fremde Rollen zu schlüpfen und dabei etwas aus dem eigenen Leben ins Spiel zu bringen; eine Auszeit vom Leistungsdruck zu nehmen und auf Entdeckungsreise zu gehen: Wer bin ich?

Den Schritt, Schauspielerin zu werden, habe sie selbst nicht gewagt, sagt sie. "Dieser Welt habe ich mich nicht gewachsen gefühlt." Irgendwann sei dann die Schule für sie in den Vordergrund getreten.

Als Regisseurin, Intendantin und Komponistin des Rieder Kindertheaters kann Aja von Lerchenhorst ihr pädagogisches und ihr künstlerisches Talent einsetzen. "Ich finde nichts faszinierender als kreative Kinder", sagt sie. "Jedes Kind ist interessant." Gerade ist die "Kleine Hexe" zum letzten Mal über die Bühne gegangen. Mit ihr scheiden erfahrene Spielerinnen aus. "Da leide ich immer drunter", gesteht sie. Zugleich haben sich viele jüngere Kinder angemeldet, seit langem sind auch wieder einmal zwei Buben dabei. Das Spiel geht also von vorne los. Warum macht sie das? Die Antwort ist so einfach wie überzeugend: "Es ist halt mein Lebensinhalt."

© SZ vom 11.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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