Bauprojekt in Wolfratshausen:"Die neue Nutzung scheint mir ziemlich ideal zu sein"

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Der Bauforscher und promovierte Kunsthistoriker Gerald Dobler hat das Alte Krankenhaus in Wolfratshausen auf Baugeschichte, Ausstattung und Substanz untersucht. Seine Erkenntnisse dienen nun als Entscheidungsgrundlage bei der geplanten Instandsetzung

Interview von Kaija Voss, Wolfratshausen

Das Alte Wolfratshauser Krankenhaus an der Sauerlacher Straße, erbaut 1823/24, hat nicht nur eine bemerkenswerte Baugeschichte, es schreibt auch Geschichte der Denkmalpflege. Das klassizistische Gebäude steht seit 1973 auf der Bayerischen Denkmalliste, seit Bestehen der Liste überhaupt. Trotzdem existierte für dieses Areal ein Bebauungsplan der Stadt Wolfratshausen von 1983, in dem das Krankenhaus als "aufzuhebendes" Bauobjekt dargestellt war. Wie die Erlaubnis zustande kommen konnte, war aus Sicht des Landratsamtes nicht mehr nachvollziehbar. 2012 forderte eine breite Öffentlichkeit, federführend dabei der Historische Verein Wolfratshausen, den Erhalt des denkmalgeschützten Hauses. Landesdenkmalrat und Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege setzten sich für die Erhaltung ein, die Regierung von Oberbayern stellte die Rechtswidrigkeit der Abbruchgenehmigung fest. Im 2014 herausgegebenen Buch "Medizingeschichte im Isartal" dokumentierte der Historische Verein die Geschichte des Krankenhauses. Im Herbst 2020 untersucht ein Experte das historische Bauwerk, der Bauforscher und promovierte Kunsthistoriker Gerald Dobler. Hintergrund sind die Vorbereitungen zur Instandsetzung des Hauses durch die Maro Wohnungsgenossenschaft. Im Interview erklärt er seine Forschungen an dem Wolfratshauser Gebäude.

SZ: Herr Dobler, was war für Sie der überraschendste Befund am Alten Krankenhaus?

Gerald Dobler: Dass noch sehr viele Fenster aus der Erbauungszeit erhalten sind und dass die Kapelle eine aufwendige Ausmalung noch in Formen des Spätbarocks besaß - mit illusionistischen Pilastern und Vorhängen an den Wänden.

Die Möglichkeiten der Befunduntersuchung sind sehr vielfältig: wie darf man sich Ihre Arbeit vorstellen?

Das Alte Krankenhaus an der Sauerlacher Straße soll saniert werden. (Foto: privat/oh)

Ich verfolge immer einen ganzheitlichen Ansatz. Das heißt, dass zunächst eine Recherche zur Baugeschichte des Gebäudes in der Literatur und im Archiv, vor allem nach historischen Plänen, erfolgte. In diesem Fall war durch den Historischen Verein Wolfratshausen bereits gute Vorarbeit geleistet worden. Vom Alten Krankenhaus sind die originalen Baupläne und spätere Ergänzungen vorhanden, die einen guten Überblick bieten. Ich habe sie mit den aktuellen Plänen kombiniert, um dann im Gebäude gezielt Öffnungen zur Überprüfung anzulegen. Baupläne sind zwar oft so umgesetzt worden, wie gezeichnet - gerade in Details aber auch nicht. Nächster Schritt war die optische Begutachtung des Hauses, mit Blick auf schützenswerte historische Ausstattungen wie Böden, Treppen, Türen und Fenster und so weiter. Den letzten Schritt bildeten dann die Untersuchungsöffnungen an besonders aussagefähigen Stellen. Da geht es um den Nachweis von Umbauten und um die Frage nach historischen Oberflächen, die man erhalten oder aufgreifen sollte, etwa bei einem Neuanstrich der Fassade. Meine Forschungen dienen als Entscheidungsgrundlage für den Bauherrn bei der geplanten Instandsetzung - in Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt, dem Architekten und einigen Fachplanern.

Sie arbeiten bereits seit 2008 als freiberuflicher Experte im Dienste der Kunst- und Denkmalpflege: sind Ihnen ähnliche Objekte wie das Alte Krankenhaus begegnet?

Meine Objekte sind sehr unterschiedlich, sie reichen von Bauernhäusern über Bürgerhäuser, Burgen, Schlösser und Kirchen bis zu Industriebauten des 20. Jahrhunderts und umfassen mittlerweile einen Zeitraum von tausend Jahren. Ich konnte kürzlich eine Kapelle in Österreich als Bau des frühen 11. Jahrhunderts identifizieren. Ähnliche Objekte - da muss ich nachdenken, das ist auch eine Frage der Definition. Ich hatte schon mit mehreren Spitalbauten zu tun, aber die waren älter und nicht im eigentlichen Sinn Krankenhäuser.

Der promovierte Kunsthistoriker Gerald Dobler aus Wasserburg hat das historische Gebäude kürzlich genau unter die Lupe genommen. (Foto: privat/oh)

Sie haben die Pläne aus dem Staatsarchiv München gesichtet: gibt es bis heute Übereinstimmungen zwischen den historischen Zeichnungen und dem aktuellen Gebäude?

Der originale Bauplan wurde mit geringen Abweichungen umgesetzt und die ursprüngliche Raumaufteilung ist weitestgehend noch erhalten.

Können Sie als Experte der These des Historischen Vereins Wolfratshausen zustimmen, dass das Alte Krankenhaus in der Loisachstadt im 19. Jahrhundert eine angeblich vorbildhafte und moderne Institution im Bereich der Armen- und Krankenfürsorge war?

Ja, auf jeden Fall. Aber es ist klar, dass das moderne Krankenhauswesen in dieser Zeit erst in der Entstehung begriffen war und man sich an sinnvolle Bauformen langsam herantasten musste. Dies zeigt etwa der Aufbahrungsraum, der ursprünglich neben der Kapelle im Gebäude lag und dann wenige Jahrzehnte später als hygienisch und psychologisch problematisch erkannt und aus dem Gebäude ausgelagert wurde.

Auf den historischen Bildern um 1900 sieht man auf der linken Gebäudeseite zwei Rundbögen, dahinter befand sich die ehemalige Krankenhauskapelle. Konnten Sie im Inneren noch Spuren davon ausfindig machen?

In einem Neubau auf dem Grundstück sollen zusätzliche Wohnungen entstehen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Rundbogen an den Fenstern waren eine nachträgliche Veränderung im Vergleich zum ursprünglichen Bau, die später rückgängig gemacht wurde. Kapelle und Aufbahrungsraum dahinter sind mit geringen Veränderungen erhalten.

Haben Sie weitere Anhaltspunkte zum möglichen Architekten des Krankenhauses Gustav Vorherr gefunden?

Nein, das war auch nicht Aufgabe meiner Untersuchung. Aber ganz klar, so steht es auch auf den Bauplänen: Gustav Vorherr, der bedeutende Münchner Architekt und zeitweise sogar oberster Baugutachter des Königreichs Bayern, lieferte dem lokalen Baumeister, der das Krankenhaus errichtete, die Vorgaben.

Wie schätzen Sie den Zustand des Bauwerkes ein?

Das Gebäude ist insgesamt in gutem Zustand. Problematisch ist oft der Umgang mit den alten Dielenböden, die modernen Ansprüchen nicht genügen können. Beim Alten Krankenhaus sollen sie jedoch, in Absprache mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, im Obergeschoss sichtbar gemacht werden. Unsere moderne Heizungs- und Elektroausstattung fordert auch ihren Tribut. Bei der Instandsetzung muss ein Kompromiss zwischen den Nutzungsanforderungen des Bauherrn und den Wünschen der Denkmalpflege nach maximalem Substanzerhalt gefunden werden.

Haben Sie ein denkmalpflegerisches Konzept für das historische Baudenkmal erstellt?

Nein, das war nicht meine Aufgabe. Wie gesagt, es wird ein solches Konzept zwischen Bauherrn, Denkmalamt und den Planern ausgearbeitet werden. Falls sich dabei über meinen Untersuchungsbericht hinausgehende Fragen ergeben, stehe ich jederzeit zur Verfügung.

Was würden Sie sich als Experte für die Zukunft des Alten Krankenhauses wünschen?

Eine Nutzung durch eine Wohnungsgenossenschaft, wie jetzt der Maro, scheint mir doch ziemlich ideal zu sein. Natürlich muss man darauf achten, dass möglichst viel der Substanz des Gebäudes erhalten bleibt. Das dürfte bei der an einen bürgerlichen Wohnbau angelehnten Gebäudeform besser möglich sein als bei einer gewerblichen Nutzung.

© SZ vom 04.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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