Bad Tölz:Zwischen den Zeilen

Lesezeit: 2 min

Als talentierte Vorleser zeigen sich alle 13 Teilnehmer am Kreisentscheid, darunter auch Benedikta Fischhaber aus Gaißach. (Foto: Manfred Neubauer)

Eragon, Hobbit, Opi Kas: Beim Kreisentscheid des Vorlesewettbewerbs geht es ganz knapp zu

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Nervosität scheint Helen Mennenöh fremd zu sein. Auch als feststeht, dass sie den Kreisentscheid im Vorlesewettbewerb des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels gewonnen hat, wirkt die zwölfjährige Schülerin vom Rainer-Maria-Rilke-Gymnasium in Icking wie die Gelassenheit in Person. "Ich habe ja Erfahrung vor Publikum, mit der Tanzschule haben wir viele Vorstellungen", erzählt sie. Daheim liest sie gerne und viel, gerade hat sie sich die Harry-Potter-Romane vorgenommen. Für den Wettbewerb in der Tölzer Stadtbibliothek wählte sie Passagen aus dem Roman "Verschwörung auf Schloß Battersea" von Joan Aiken aus. Die Szene daraus trägt die Gymnasiastin nicht bloß flüssig und fehlerfrei, sondern ausbalanciert im Duktus und großartig in den Dialogen vor, ohne dabei zu schauspielern.

Ihr Sieg fällt gleichwohl knapp aus. Fast 20 Minuten braucht die Jury, bis sie ihre Entscheidung gefällt hat. "Das war ganz knapp", sagt Schriftsteller Georg Unterholzner, der ebenso zu den Juroren gehört wie Lehrerin Kristin Steinhaus von der Tölzer Südschule, Lehrerin Doris Zimmermann vom Tölzer Gymnasium, Bibliothekarin Patricia Ilg, Annika Fitze von der Buchhandlung Rupprecht und Vorjahressiegerin Felizitas Greck. Letzten Endes, sagt Unterholzner, sei es so, "dass die nackten Punkte zählen". Bewertet werden die Lesetechnik mit Kriterien wie Sicherheit, Aussprache und Tempo, die Interpretation des Textes und die kurze Vorstellung des gewählten Buches. An der Siegerin "waren mehrere nah dran", sagt Unterholzner.

Das verwundert nicht. Die 13 Mädchen und Jungen, die zum Kreisentscheid antraten, hatten zuvor schließlich den Wettbewerb an ihrer Schule gewonnen. Für den Auftritt in Tölz mussten sie aus einem anderen Werk lesen. Die Jury ist an diesem Montagnachmittag nicht zu beneiden, denn alle 13 lesen souverän vor. Die Geschichten drehen sich um Drachen, Elfen und Hexen, unter anderem aus den Fantasy-Büchern "Eragon" und "Der Hobbit", um schwierige Kindheiten wie in "Sophie auf den Dächern" oder auch um die Unterdrückung eines Mädchens im Islam ("Das Mädchen Wadjda") und die furchtbaren Erfahrungen einer Familie unter dem Taliban-Regime ("Die Sonne im Gesicht").

Die jungen Vorleser kontrastieren dabei weniger in ihrer Lesetechnik, eher in der Pose, mal entspannt in den Stuhl zurückgelehnt, mal nach vorne über den Tisch gebeugt. Nach der Kür ist eine Entscheidung zwischen Helen Mennenöh und Noura Aguel (Realschule Geretsried), Linus Braun (Gymnasium Bad Tölz), Benedikta Fischhaber (Mittelschule Gaißach), Maxima Forkl (Mittelschule Lenggries), Marie Görmer (Grund- und Mittelschule Dietramszell), Felix Juse (Realschule Bad Tölz), Franziska Kabashi (Südschule Bad Tölz), Nastasya Panina (Gymnasium Hohenburg), Amelie Prommer (Gymnasium Geretsried), Julia Schiefer (Mittelschule Geretsried), Christina Schnaderbeck (Mädchenrealschule Hohenburg) und Anton Zanner (Realschule Wolfratshausen) kaum zu fällen. Zur Erleichterung für die Juroren gibt es aber noch die Pflicht. Alle müssen in der zweiten Runde einen Text vortragen, den sie nicht kennen: "Opi Kas, die Zimtziegen und ich" von Marjolijn Hof. Darin geht es um einen sterbenskranken Seemann auf Island, den die Familie nach Holland holen und in ein Pflegeheim stecken möchte. Opi Kas will das nicht und sucht Verbündete in seinen beiden Urenkeln. Nicht alle Teilnehmer kommen unfallfrei über die Hürde von Wörtern wie "Zombieberge" oder "Survival-Handbuch", andere meistern die ihnen zugedachte Passage problemlos.

Für Helen Mennenöh spricht am Ende auch, "dass sie ihren Text schön eingeführt hat", sagt Lehrerin Zimmermann. Und den fremden Text habe sie schnell, gut und mit Verständnis gelesen, ergänzt Unterholzner. "Das kommt nicht tot rüber." Die Gymnasiastin darf den Landkreis nun beim Bezirksentscheid in Rosenheim vertreten. "Meine Mutter fährt mich da hin", sagt die Zwölfjährige.

© SZ vom 24.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: