SZ-Adventskalender:Unglückliche Verkettung

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Mit ihrer geringen Rente kann sich Herta B. nur das Nötigste leisten. 120 Euro bleiben ihr für Essen, Trinken, Telefon und alles andere.

Von Claudia Koestler, Bad TölzWolfratshausen

Es gibt Leben, da prägt das Wort von der unverschuldeten Not das Dasein. Herta B. ( Name geändert) musste viele Schicksalsschläge hinnehmen: Vor 20 Jahren wurde sie Witwe, ihren Mann verlor sie durch eine plötzliche, heftige Krebserkrankung. Bis heute ist die Liebe zu ihm ungebrochen: "Ich vermisse ihn jeden Tag", sagt Herta B. "Wir waren 30 Jahre zusammen, und ich konnte nie mehr einen anderen heiraten, weil ich die Liebe, die ich für ihn empfand, niemandem mehr hätte so gegeben können."

Die gelernte Schneiderin und der Handwerker hatten ein bescheidenes, aber, wie sie sagt, glückliches Leben geführt. Sie bekamen zwei Kinder, von denen das Jüngere aber ein schweres Nierenleiden hatte und intensivste Betreuung benötigte.

Als ihr Ehemann starb, konnte Herta B. das kleine Häuschen nicht mehr halten, auch, weil sie sich um ihr krankes Kind kümmern musste und deshalb nur nebenbei arbeiten konnte. Heute lebt die 70-Jährige in einer kleinen Ein-Zimmer-Wohnung. Ihre Rente liegt bei knapp 600 Euro im Monat, nach Abzug der Miete bleiben ihr noch 120 Euro für Essen, Trinken, Telefon und alles andere.

Herta B. ist anzusehen, dass sie noch Weiteres zu erdulden hatte: Das rechte Bein ist in einer Schiene, vor fünf Wochen hat sie sich das Innenband gerissen. Und das, nachdem sich gerade ihr rechtes Bein von einem komplizierten Bruch erholt hatte: "Weil ich eine schwere Magenoperation hatte, war ich im Krankenhaus. Als ich dort auf Toilette gehen wollte, blieb ich an dem Stöpsel hängen, der die Tür aufhalten sollte und brach mir das Bein", erzählt Herta B. Eine Verkettung von Unglücksfällen, die schon vorher ihren Anfang genomen hatte. Denn kurz zuvor hatte sie sich die rechte Schulter gebrochen, als sie beim Überqueren einer Straße stolperte und fiel. Seither kann Herta B. den rechten Arm kaum mehr heben.

Trotzdem will Herta B. nicht jammern: "Ich sage es immer ehrlich, wenn es mir gut geht, und ich komme zurecht." Manchmal helfen Freunde mit dem Nötigsten aus: "Kürzlich ging eine Tante von Freunden ins Pflegeheim und da konnte ich zwei kleine Sofas bekommen", freut sie sich. Doch sich einmal etwas selbst zu leisten, abgesehen vom Allernötigsten, das ist nicht drin. Und so hegt Herta B. ein paar Wünsche, die sie sich selbst nie erfüllen könnte. Sie hat ist stark kurzsichtig und hat an beiden Augen über acht Dioptrien. "Eine Gleitsichtbrille, das wäre wirklich etwas Wunderbares", sagt sie.

Darüber hinaus fiel ihr vor kurzem ein Eckzahn aus, jetzt ist dort eine Lücke zu sehen, wenn sie spricht. "Ich traue mich gar nicht mehr unter Leute, weil ich mich so geniere, dass man die Lücke sieht, wenn ich spreche", sagt sie. 1000 Euro für den Zahnersatz und 900 Euro für eine Gleitsichtbrille sind für Herta B. utopische Summen: "Aber wenn sich irgendein Wunder ergeben würde, das würde mir alles bedeuten", sagt Herta B.

© SZ vom 02.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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