Bad Tölz-Wolfratshausen:Erschöpft und dankbar

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Manuela Leicher mit ihren drei Kollegen vom Roten Kreuz und dem Zugbegleiter. (Foto: Privat)

Manuela Leicher aus Geretsried begleitet Flüchtlinge von Freilassing nach Berlin

Von Pia Ratzesberger, Bad Tölz-Wolfratshausen

26 Stunden dauerte der Einsatz, aber was ist das schon, wenn die anderen im Zug eine wochen- oder sogar monatelange Flucht hinter sich haben. Manuela Leicher aus Geretsried, ehrenamtliche Mitarbeiterin beim Bayerischen Roten Kreuz, begleitete Ende Dezember und Anfang Januar gemeinsam mit drei Kollegen Flüchtlinge auf dem Weg von Freilassing nach Berlin. Einmal brachte sie 107 Menschen in die Hauptstadt, das andere Mal 277. Beide Male: Erschöpfung, überall.

Ein kleines Mädchen schlief in der Hocke, gelehnt an einen Reisesessel, "wie ein Äffchen", sagt Leicher. Viele der Flüchtlinge waren aufgrund der kalten Temperaturen schon bei Reiseantritt erkältet, litten unter Fieber und Schüttelfrost. Die Ehrenamtlichen des Deutschen Roten Kreuzes verteilten Decken, Wasser und Lunchpakete. Leicher gab Lutschpastillen an diejenigen ab, die über Halsweh klagten - echte Medikamente verteilen, das geht schließlich nur mit Arzt. Die meisten der Flüchtlinge kamen aus Syrien, Afghanistan und Irak; obwohl manche kaum Englisch sprachen und Leicher wiederum kein Arabisch, habe man gleich zusammen "geratscht", sagt die 46-Jährige. Mit Zeichensprache, das gehe schon.

Einen Waggon hatte das Deutsche Rote Kreuz für Notfälle hergerichtet, die vier Ehrenamtlichen waren unter anderem mit Defibrillator und Kindernotfallausrüstung von Zuhause aufgebrochen. Gebraucht haben sie davon zum Glück nichts. Nur ein wenig Zuckerwasser verteilten sie bei Kreislaufproblemen - die meisten der Reisenden waren ohnehin so müde, dass sie bald nach Fahrtantritt einschliefen. Zehn Stunden dauerte die Reise, am 29. Dezember in einer älteren Regionalbahn, am 5. Januar in einem ICE. Neben den vier Ehrenamtlichen vom Kreisverband Bad Tölz-Wolfratshausen des Roten Kreuzes waren jeweils auch ein Zugbegleiter und zwei Security Mitarbeiter der Deutschen Bahn mit dabei.

Den Flüchtlingen hätte man angesehen, wie dankbar sie seien, dass sie bald in Sicherheit und im Warmen seien, sagt Leicher. "Sehr höflich" seien alle gewesen - allein durch ihre Fragen bekamen die Helfer eine Ahnung davon, was ihre Mitreisenden zuvor alles erleben mussten. Einer etwa erkundigte sich bei der 46-jährigen Ehrenamtlichen, wie denn die Polizei in Deutschland mit den Leuten umgehe. Ob die auch zuschlage, wenn man etwas frage, so wie anderswo. "Da müssen manche in der Vergangenheit wirklich übel angegangen worden sein", sagt Leicher. Jede Stunde kontrollierten sie und ihre drei Kollegen die Waggons, prüften, ob jemand Hilfe brauche, ob es allen gut gehe.

Der größte Einsatz ereilte die Oberbayern dann allerdings kurz vor der Heimreise auf dem Bahnsteig in Berlin, als sie die Geflohenen schon lange verabschiedet hatten: Einer Berlinerin wurde schwarz vor Augen, nahe des Gleisbettes - ihr Glück, dass die vier Ehrenamtlichen des Roten Kreuzes nur ein paar Meter von ihr entfernt standen.

© SZ vom 19.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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