Bad Tölz-Wolfratshausen:Bus-Streik legt Landkreis lahm

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Die Fahrer im Regionalverkehr Oberbayern kündigen ihren Ausstand vom Donnerstag erst am Vorabend an und treffen so vor allem Schüler und Pendler. An manchen Schulen erscheint nicht einmal jeder Zweite zum Unterricht

Von Klaus Schieder und Alexandra Vecchiato, Bad Tölz

Valérie steht ratlos am Tölzer Busbahnhof, das Handy am Ohr - keine Busse weit und breit. "Echt ärgerlich", sagt die 16-jährige Tölzerin. Eigentlich wollte sie kurz nach 8 Uhr nach Wolfratshausen fahren, aber über die kopfsteingepflasterte Busspur für die RVO-Linien kurvt allenfalls ein Taxi. Im Seminar St. Matthias in Waldram, wo Valérie zur Schule geht, steigt ein Sommerfest, da muss sie in der Band mitspielen. Um noch rechtzeitig hinzukommen, greift sie wieder zum Handy. "Ich muss meine Mutter anrufen, vielleicht fährt sie mich."

Die Schülerin ist am Donnerstag eine von Tausenden von Gestrandeten zwischen Bad Tölz und Wolfratshausen: Die Busfahrer des Regionalverkehrs Oberbayern (RVO) streiken den ganzen Tag - und legen den Nahverkehr im Landkreis lahm. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG meldet: "Der Berufs- und Schülerverkehr ist in der Region praktisch zum Erliegen gekommen." RVO-Chef Veit Bodenschatz sagte: "Für diesen Streik fehlt mir das Verständnis."

Der Ausstand traf vor allem Schüler und Pendler: In der Realschule Bad Tölz sei nicht einmal die Hälfte der 380 Mädchen und Jungen erschienen, sagt Rektor Manfred Ilitz. Da nicht feststand, ob und wie die Kinder wieder nach Hause kämen, fand der Unterricht nur bis zur vierten Stunde statt. Von da an stand es den Schülern frei, sich abholen zu lassen oder doch noch einen der wenigen Schulbusse zu erwischen. "Das waren Subunternehmer, die selbst nichts vom Streik wussten", erzählt Ilitz. Vom Streik habe er selbst erst um 6 Uhr in der Früh erfahren. "Das war wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Eine schwierige Situation für alle." An den St.-Ursula-Schulen in Lenggries fand der Unterricht statt, da viele Schülerinnen entweder aus Lenggries selbst stammen oder mit der BOB kommen. Der Nachmittagsunterricht wurde verkürzt, damit alle Mädchen die Bahn nach Hause erwischten.

Nächster Halt, Busbahnhof: In Wolfratshausen ist kein Gefährt ausgerückt - auch im Stadtverkehr bewegt sich nichts. (Foto: Hartmut Pöstges)

Sorgen um die Kinder gab es an den Grundschulen: Das Schulamt in Bad Tölz berichtet, dass der Rektor in Reichersbeuern im Amt gemeldet habe, weil etliche Schüler an der Haltestelle standen, doch der Bus nicht gekommen sei, sagt Schulamtsdirektorin Marianne Konrad. Das sei unangenehm gewesen. Hätte der RVO rechtzeitig informiert, wären Ersatzbusse organisiert worden. So hätten die Grundschüler per Handy die Eltern informiert, diese dann Fahrgemeinschaften organisiert. Schüler ohne Mitfahrgelegenheit seien für Donnerstag entschuldigt. Selbst Johann Kunz, im Landratsamt für den ÖPNV zuständig, hat erst am Morgen vom Streik erfahren. Das sei zu kurzfristig, um einen Ersatzverkehr zu organisieren.

Im Gabriel-von-Seidl-Gymnasium in Bad Tölz verspäteten sich oder fehlten etwa zehn Prozent der 1200 Schüler, sagt Direktor Harald Vorleuter. Die späte Ankündigung des Streiks findet Vorleuter zwar ärgerlich, "aber wir wissen ja, wie die Mechanismen in Tarifkämpfen sind". Ein Ausstand müsse schließlich Wirkung zeigen.

Überrascht wurde auch die Deutsche Bahn, Mutterkonzern der RVO. In der Einsatzzentrale schmiedete man eilig Notfahrpläne und stellte sie nach und nach ins Internet. "Beim Lokführerstreik hatten wir Ersatzfahrpläne in der Tasche, das ist hier nicht der Fall", sagt ein Bahnsprecher. Außerdem gebe es keine verbeamteten Busfahrer, "nur teilweise private Busunternehmen, die für uns fahren".

Nichts geht mehr: Der Busbahnhof in Bad Tölz am Isarkai ist fast menschenleer. Über Stunden hielt kein einziger Bus - sehr zum Ärger vieler Pendler. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Gewerkschafter kämpfen für 5,1 Prozent mehr Lohn. Bei den Tarifverhandlungen für die rund 650 Beschäftigten zeichne sich keine Lösung ab. "Der Arbeitgeber hat einen weitreichenden Kompromissvorschlag abgelehnt", EVG-Verhandlungsführer Bernd Sehmisch. Der RVO weist das zurück. Die Gesellschaft zahle schon jetzt besser als die Konkurrenz und biete vier Prozent mehr.

Auch eine 60-jährige Tölzerin mit Hund am Busbahnhof findet den Streik zwar "ärgerlich", aber so schlimm auch wieder nicht. Den Friseurtermin für ihren Vierbeiner in Geretsried könne sie leicht absagen.

© SZ vom 17.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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