Bad Tölz:Wahre Helden glänzen besser durch Abwesenheit

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Poseidon (Ludwig Retzer) trägt Gummistiefel. Gemeinsam mit Athene (Christine Hermann) hört er in dieser Szene dem Chor zu. (Foto: Manfred Neubauer)

Die "Lust" bringt einen ganz unheroischen Odysseus und eine fremdgehende Penelope auf die Bühne

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Die Theatergruppe des Tölzer Kulturvereins Lust ist immer für eine Überraschung gut: Eigenwillige Adaptionen literarischer Vorlagen, grellbunte Revuen, historische Themen in luftigem Gewand - viel Klamauk und Spektakel, aber immer mit Botschaft. In ihrer 14. Produktion haben sich Lust-Autor Alexander Liegl und Regisseurin Gabi Rothmüller zur Mutter des abendländischen Theaters und zum Vater aller Helden vorgewagt: Griechisches Theater, der Irrfahrer Odysseus und das nicht ganz konfliktfreie Wiedersehen mit seiner Frau nach 20 Jahren. "Penelope - die wahrste Wahrheit über Odysseus und sein Weib" heißt das Stück, das am 8. April Premiere feiert.

Bei der Probe wird schnell klar, dass das Lust-Team in formaler Hinsicht um größtmögliche Annäherung an die antike Tradition bemüht ist: Statt Guckkastenbühne wird die Madlschule in eine Art Amphitheater umgestaltet. Das Geschehen spielt an einer Seitenwand, die Zuschauer sitzen zum Teil auf der Bühne. Die Distanz zu den Schauspielern ist gering, auch weil zwei Götter inmitten des Publikums thronen.

Zentrum des Geschehens ist ein Schrein mit allerhand Insignien, die es für eine Odysseus-Verehrung eben braucht: Zinnteller, hölzernes Pferdchen, Heldenportrait, Zeitungsartikel. "Troja hält sich - wie lange noch"?, steht da etwa. Oder: "Kann nur noch eine List helfen?" Zehn Jahre hat der Trojanische Krieg gedauert, weitere zehn irrt dessen Held Odysseus auf dem Mittelmeer umher. Penelope wartet derweil auf Ithaka, das Haus voller Freier und beschäftigt mit einer never-ending Häkelarbeit: Denn sollte das Tuch je fertig werden, muss sie sich für einen neuen Gatten entscheiden.

"Sollen wir die Szene mit den Freiern spielen oder die mit der Badewanne?" fragt Regisseurin Rothmüller bei der Probe. "Ihr könnt auch 'Düse, düse im Sauseschritt' machen. Das ist auch schön." Alles klar. Eine klassische Tragödie wird das nicht. Eher eine "tragikomische Mythenvariante", wie Liegl formuliert. Die Frage lautet nicht: Was macht einen Mann zum Helden, sondern: Was macht man, wenn der Held zurückkommt? Womöglich mit einer posttraumatischen Belastungsstörung. Oder als "selbstverliebter Depp, der meint, wenn er nach Jahren wiederkommt, läuft alles so, wie er sich das vorstellt", sagt Liegl.

Auch äußerlich ist die Veränderung nicht zu übersehen. Liegl, der den Odysseus gibt, zunächst mit weißer Tunika, schwarzem Kinnbart und Flip-Flops. Später dann als schnieker Kapitän, der ganz unheroische Sätze sagt, wie: "Friede ist der kleine Bruder von Ordnung und Schönheit." Offenbar glänzen Helden am besten durch Abwesenheit. Auch Penelope (Dörthe Merz) ist nicht unbedingt erfreut, weil sie sich inzwischen einen Freier (Hagen Dessau) angelacht hat. "Wir halten uns nicht immer an die antike Vorlage", sagt Rothmüller. Und für Odysseus geht es auch nicht gut aus, soviel sei schon einmal verraten.

Warum diesmal ein antiker Stoff? "Wir haben festgestellt, dass wir noch nie was mit einem griechischen Chor gemacht haben", erklärt Rothmüller. Dessen Funktion wird in einem Prolog erläutert: "Das, meine Damen und Herren, ist ein griechischer Chor", sagt die Lehrerin (Ulrike Liegl-Kempter). "Nein, nein, nein, er singt nicht, er redet." Aber auch, wer Vorkenntnisse hat und die homerischen Epen Ilias und Odyssee gut kennt, "wird ganz neue Seiten entdecken", sagt Rothmüller. Eine Seherin mit Blindenstock zum Beispiel. Oder eine Schicksalsgöttin mit total verworrenem Lebensfaden. Oder Ludwig Retzer als Meeresgott Poseidon: braune Wuschelperücke, grüne Gummistiefel und Overall, drapiert mit einem Fischernetz. Poseidon rezitiert aus einem Reclam-Heft, echauffiert sich über den "Hexameter-Mist" und zankt sich mit Athene, in diesem herrlich respektlosen Spektakel. Seit Mitte September werde geprobt, sagt Rothmüller. "Und seit letzter Woche haben wir das Gefühl, dass wir es bis zur Premiere packen und die Menschen glücklich machen werden."

Kulturverein "Lust": "Penelope - die wahrste Wahrheit über Odysseus und sein Weib", Premiere 8. April, 20 Uhr, Alte Madlschule. Weitere Vorstellungen: 9., 15.,16., 22., 23., 29.,30. April. 6., 7., 13., 14. Mai, jeweils 20 Uhr

© SZ vom 30.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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