Bad Tölz:Tollhaus im Regen

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Nach zehn Tagen ziehen die Organisatoren eine durchwachsene Bilanz des Festivals. Sie hatten sich weit mehr Besucher erwartet

Von Stephanie Schwaderer, Bad Tölz

Das Kultur-Programm war toll, das Wetter war es nicht - auf diese Formel lässt sich die Bilanz des Tollhaus-Festivals bringen, das am Sonntagabend nach zehn durchwachsenen Tagen zu Ende gegangen ist. Im großen Konzertzelt, aber auch auf dem Festgelände rund ums Kesselhaus hatten sich deutlich weniger Gäste eingefunden, als die Veranstalter - der Verbund Real Isarwinkel, unterstützt von Kesselhaus-Wirt Lars Wiedenhofer - es sich erhofft hatten. "Das Konzept war gut", resümiert Real-Geschäftsführer Arnold Torhorst, "aber zu den entscheidenden Zeiten hat es leider geregnet."

Genaue Zahlen konnte seine Mitarbeiterin Barbara Kriest am Montag noch nicht vorlegen: "Ich bin seit eineinhalb Wochen zum ersten Mal wieder an meinem Schreibtisch und sitze vor einem Berg Abrechnungen", so die Organisatorin. Sie schätze aber, dass über die zehn Tage zehntausend Leute das Festival besucht hätten, mit dem der Real-Verbund sein 20-jähriges Bestehen feierte. Der größte Publikumsmagnet war zweifellos das Seifenkisten-Rennen am vorvergangenen Sonntag. Bei den Konzerten und Kabarettabenden im Festzelt hätten "schon noch ein paar Leute hineingepasst", sagt Kriest - eine wohl eher schmeichelhafte Formulierung.

Kesselhaus-Wirt Wiedenhofer macht aus seiner Enttäuschung kein Geheimnis: "Man steckt viel Mühe und Arbeit hinein, man hat alles gegeben, und dann reicht es am Ende doch nicht." Er zeichnet für vier der zehn Abende im Kulturzelt verantwortlich. Bestuhlt hätten darin 400 Leute Platz gefunden, unbestuhlt 600. Zum Konzert der Antenne Bayern Band kamen gerade einmal 80. "Das drückt schon auf die Stimmung", sagt Wiedenhofer. "Dabei hätte ich gedacht, dass diese Band genau das Richtige nach dem Seifenkisten-Rennen wäre." Max von Milland trat am Samstag vor 200 Zuschauern auf; die Soneros de verdad, die andernorts große Hallen füllen, vor gerade einmal 150. In diesem Fall könnte der schwache Zuspruch laut Torhorst auch an einem Missgeschick beim Vorverkauf gelegen haben: Die Tölzer Tourist Information hatte Kunden mit dem Hinweis abgewiesen, das Konzert sei längst ausverkauft. "Offenbar ein Missverständnis." Leere herrschte auch an vielen Nachmittagen und Abenden auf dem Festival-Gelände, Buden und Mitmachstände blieben verwaist. "Kein Mensch stellt sich gerne in den Regen", bilanziert Wiedenhofer. "Dass es um diese Jahreszeit heuer so kalt und ungemütlich werden würde, damit hat keiner gerechnet."

Versöhnlich, darin stimmen die Organisatoren überein, war immerhin der Abschlussabend: Am Sonntag feierten 350 Gäste mit der Gute-Laune-Band Jamaram und Wally Warning ein rauschendes Finale. Da wurde gesungen, gejubelt und getanzt. "Gelebte Inklusion", sagt Torhorst: "In solchen Momenten spielt es überhaupt keine Rolle mehr, wer welche Macke hat oder wie krank einer ist." Genau darum sei es ihm bei dem ganzen Festival gegangen: "Um Vielfalt und Toleranz, beides gibt es in Bad Tölz, und das ist toll."

Auch die Fachtagungen beim Tollhaus-Festival sind auf recht unterschiedliche Resonanz gestoßen. Während die beiden Psychiatrietage nach Auskunft von Veranstalter Arnold Torhorst 200 Gäste aus ganz Deutschland anlockten und große Zustimmung fanden, stellten sich zum Fachpflegetag nur wenige Teilnehmer ein. Dabei ist gerade dieses Thema nicht nur in Bad Tölz virulent.

Das "ReAL Isarwinkel" an der Krankenhausstraße ist eine Rehabilitationseinrichtung für Menschen mit psychischen Krankheiten, Behinderungen und sozialen Schwierigkeiten. Gegründet wurde sie vor 20 Jahren von Psychiater Torhorst und dem Neuropsychologen Eberhard Bahr. Die Abkürzung "ReAL" steht für die drei Standbeine Rehabilitation, Arbeit und Leben. Im Fachbereich Reha bekommen die Patienten eine medizinische Versorgung, außerdem sollen sie beruflich und sozial befähigt werden, wieder am Leben teilzuhaben. Im Fachbereich "Arbeit" gibt es für sie Angebote zu Beschäftigungen und zum Wiedereinstieg in einen Beruf, unter anderem in den Isarwinkler Werkstätten. Der Fachbereich "Leben" teilt sich wiederum in diverse Wohnangebote wie im Haus Florida oder im Haus Rosenwinkel mit sozialtherapeutischem Langzeitwohnen, hinzu kommen die Tagesstätte "Aufwind" und ein Kulturcafé.

Von Reha bis Arbeit

Der zweite Sektor ist das Netzwerk für Pflege, zu dem das Pflegeheim im Reha-Zentrum Isarwinkel gehört. Betreiber ist die Gemeinnützige Rehabilitations-Gesellschaft GMBH (GRG), die auch für das Pflegeheim Alpenhof zuständig war, ehe es geschlossen wurde. In beiden Heimen rügten die Heimaufsicht des Landratsamtes und der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) erhebliche Mängel in der Pflege. Die Zahl des Plätze im Heim im Rehazentrum Isarwinkel muss deshalb von 34 auf 17 reduziert werden. stsw/sc

© SZ vom 22.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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