Bad Tölz:Raritäten mit Flair

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Petra Schenk empfiehlt "Eine allgemeine Theorie des Vergessens". (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das Team des Tölzer "Winzerer" setzt auf Besonderes

Von Claudia Koestler, Bad Tölz

Das Schaufenster ist das Aushängeschild der Tölzer Buchhandlung "Winzerer". Jeden Tag finden sich dort neue Bücher, Bildbände, Kalender und CDs. Werke, von denen man nicht wusste, dass es sie gibt, von denen man aber ahnte, dass es sie geben sollte. Da sind sie dann - Entdeckungen, Raritäten und Perlen. Wer die zwei, drei Stufen in den Gewölberaum überschreitet, betritt eine kleine Wunderwelt. Selten findet man eine so breite wie außergewöhnliche, innovative Auswahl an Büchern für Erwachsene und Kinder, dazu Musik und Filme.

Auf nur knapp 60 Quadratmetern laden Neuheiten, Klassiker und eine angenehm entspannte Atmosphäre mit Kaffee und Keksen Flaneure, Suchende und Bücherfreunde ein, zu verweilen, zu stöbern und zu lesen. Mainstream und Bestseller finden sich, aber überwiegend Bücher kleiner Verlage. "Unser Anspruch ist, dass jeder bei uns etwas finden soll, der Landwirt genauso wie der Geschäftsmann oder der Professor", sagt Inhaberin Petra Schenk.

Schon als Kind war Schenk mit ihrer Mutter Kundin in der Buchhandlung und entwickelte ihre Liebe zur Literatur. Vor 14 Jahren bewarb sie sich im Laden für ein Praktikum - mit Erfolg. Als Philosophiestudentin jobbte sie dort nebenher weiter. Und als Buchhändlerin Johanna Zantl vor dreieinhalb Jahren in Rente ging, übergab sie Schenk ihren Laden an. Trotz einiger kleiner Änderungen - Schenk hat etwa das Angebot an Bilderbüchern für Kinder erweitert - führt sie ihn so weiter, dass sein Alleinstellungsmerkmal bleibt: Auf kleinem Raum eine unglaubliche Bandbreite.

Das ist eines der Geheimnisse, warum sie sich gegen Ketten und Online-Versandhandel nicht nur durch-, sondern sich erfolgreich von ihnen absetzt. "Wir agieren jenseits der Algorithmen", sagt Schenk und meint damit die persönliche Beratung. Sie und ihre fünf Mitarbeiter haben jedes Buch selbst gelesen und können etwas dazu sagen. Die Gespräche mit den Kunden ermöglichen individuelle Empfehlungen. So kommen andere Buchtipps heraus als bei den Online-Häusern, die auf Computer-Berechnungen und Kaufhistorie zurückgreifen. Schenk und ihre Mitarbeiter helfen bei jedem noch so ausgefallenen Wunsch. Ein weiteres Erfolgsrezept ist der sympathische, aber unaufdringliche Service, der Kunden auch in Ruhe stöbern lässt. Wenn das passende Buch doch einmal nicht vorrätig sein sollte, sind sie bei Bestellungen sogar teils schneller als der Online-Versand: "Heute geordert, morgen früh da, das klappt bei uns immer", sagt Schenk. Viel Werbung braucht Schenk deshalb nicht. Die meisten Kunden sind Stammkunden. Ab und an veranstaltet sie Lesungen, immer wieder sind Schulklassen zu Besuch. Durch die prominente Lage am Winzerer-Denkmal in der Tölzer Marktstraße gibt es viel Laufkundschaft.

Schenks persönliches Lieblingsbuch des Monats ist der Roman "Eine allgemeine Theorie des Vergessens" von José Eduardo Agualusa, erschienen im C. H. Beck-Verlag. Kurz vor der angolanischen Revolution mauert sich Ludovica für dreißig Jahre in ihrer Hochhauswohnung in Luanda ein. In diesem Mikrokosmos überlebt sie durch Gemüse, Hühner und am Balkon gefangenen Tauben. Aus Radiosequenzen und den Eindrücken hoch über der Stadt setzt sich für sie zusammen, was im Land geschieht. "Ein skurriles, teils aberwitziges Kammerspiel, so exzellent geschrieben, dass es einen nicht loslässt", sagt Schenk.

© SZ vom 02.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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