Bad Tölz:Probleme bei Arm und Reich

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Die Sozialarbeit an den Schulen ist komplett: Der Landkreis hat die Hilfe auch an der Tölzer Realschule eingerichtet

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Femke Hardt gefällt ihr neuer Arbeitsplatz. Viel Farbe, samtbezogene Stühle und noch keine Vorhänge, was Realschüler in Bad Tölz dazu animiert, vor ihrem Büro stehen zu bleiben, durchs Fenster zu spähen und sie auch anzusprechen. "Sie kommen rein, sagen, das ist ein toller Raum, und sie fragen, was machst du hier", erzählt Hardt im Neubau der Tölzer Realschule. Seit Schuljahresbeginn ist sie dort als Schulsozialarbeiterin tätig. Damit knüpft der Landkreis den letzten Knoten im engmaschigen Netz der Jugendsozialarbeit an Schulen. Gewissermaßen als Letzte im Bunde haben nun auch alle drei Realschulen eine Sozialarbeiterin mit jeweils einer 19,5-Stunden-Stelle. Die wird zu 90 Prozent vom Landkreis bezahlt, für die restlichen zehn Prozent kommen Trägervereine auf. Eine Investition, die sich für den Dritten Landrat Klaus Koch (Grüne) lohnt: "Alle präventiven Maßnahmen in ihrer Menge bringen etwas."

In Wolfratshausen richtete der Kinder- und Jugendförderverein im Juni 2014 eine Stelle mit 16,5 Stunden pro Woche für Sozialarbeit an der Realschule ein, die Iris Diehl innehat. Der Landkreis gab dafür eine Anschubfinanzierung von 5000 Euro, der Verein brachte 32 000 Euro über Spendengelder auf. "Es ist mir ein Anliegen, allen Sponsoren, die sich mit uns ein Stück weit aus dem Fenster gelehnt haben, Danke zu sagen", sagt Geschäftsführer Fritz Meixner. Ebenso der Schulleitung, "die sich auf dieses Wagnis eingelassen hat."

In Geretsried installierte der Trägerverein Jugendarbeit die Sozialarbeit mit sieben Stunden in der Woche bereits im Oktober 2013 an der Realschule. Geschäftsführer Rudi Mühlhans zeigt sich "sehr froh, dass wir jetzt soweit sind, dass wir die Stelle kompetent besetzen konnten". In Bad Tölz, wo die Kolping-Bildungsagentur zehn Prozent der Kosten für die neue Stelle übernimmt, gab es bislang nichts. Notwendig ist sie für Rektorin Barbara Lottner allemal. Sei es im Sozialverhalten, sei es in der Kommunikation - "wir haben viele verhaltensauffällige Kinder, ihre Zahl wird immer mehr", sagt sie.

Ulrich Reiner macht keinen Hehl daraus, dass er der Ausdehnung der Sozialarbeit auf die Realschulen durch die zwei Trägervereine anfangs skeptisch gegenüberstand. Nicht deshalb, weil er sie für überflüssig hielt. Der Leiter des Jugendamts im Landkreis stellte sich aber die Frage: "Wird es dann nicht uferlos?" Schließlich koste das auch richtig Geld. Er ließ sich jedoch eines Besseren belehren und räumt ein: "Wie es oft so ist, erst lehnt man Dinge ab und hernach ist man begeistert." Angetan ist Ulrich auch insgesamt vom reibungslosen Zusammenspiel zwischen Jugendamt und staatlichem Schulamt, zwischen Sozialarbeitern und Schulen im Landkreis. Immerhin stießen da zwei komplexe Systeme aufeinander, meint er. "Da kracht's und funkt's." Normalerweise.

Die Schulsozialarbeiter sind ein Baustein in der präventiven Jugendarbeit, die der Landkreis vor fünf Jahren zu diesem Zweck in Sozialräume eingeteilt hat. Durch diesen Ansatz seien in den vergangenen Jahren die Jugendkriminalität und die Kosten für die Jugendgerichtshilfe deutlich gesunken, so Reiner. Die Sozialarbeiter an den Schulen sollen Ansprechpartner für Schüler und Eltern in schwierigen Situationen sein, vor allem für solche, sie sozial benachteiligt oder individuell beeinträchtigt sind. Das betrifft Reiner zufolge aber keineswegs bloß Kinder aus armen oder bildungsfernen Familien. Oftmals hätten auch Schüler aus gut situierten Kreisen ihre Probleme, sagt er.

Die Stellen an den drei Realschulen sind zunächst auf drei Jahre begrenzt. Danach müsse man sehen, "ob man etwas ändern, stoppen, umwandeln muss", sagte der Dritte Landrat Koch. Für Jugendamtsleiter Reiner sind sie "das Sahnehäubchen" auf der Jugendsozialarbeit an den Schulen der Landkreises. So sieht sich Angela Heim nicht. "Ich empfinde mich nicht als Sahnehäubchen, sondern als sehr notwendig und würde am liebsten aufstocken", sagt die Fachkraft von der Realschule Geretsried. Da macht ihr Reiner allerdings wenig Hoffnung: "Damit ist es jetzt erst einmal gut."

© SZ vom 06.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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