Not-Unterkunft in der Turnhalle:Müde, einfach nur müde

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Im Bad Tölzer Gymnasium werden 151 Asylbewerber einquartiert - fast nur junge Männer wie Mohammad Suliaman. Der 24-jährige Student ist von Afghanistan bis nach Deutschland gelaufen

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Mohammad Suliaman sitzt ganz alleine im großen Saal des Landratsamtes. Dort, wo sonst die Kreisräte tagen, wartet er am Montagmittag zusammen mit etwa 50 anderen jungen Männern darauf, sich registrieren zu lassen. Auf den Tischen liegen Taschen, Tüten, kleine Koffer, aber der 24 Jahre alte Afghane hat nichts dabei. Einen Monat dauerte seine Flucht vor den radikalislamischen Taliban aus der Provinz Paktika im Südosten seiner Heimat. Tag und Nacht, sagt er, sei er gegangen. Durch den Iran, die Türkei und Griechenland, wo ihm die Sonne arg die Haut verbrannte. Durch Serbien, Kroatien und Ungarn, wo er unter Kälte litt. Seit voriger Woche habe er überhaupt nicht mehr geschlafen, erzählt der Politik-Student. Nun sei er müde. Sehr müde.

Suliaman ist einer der 151 Flüchtlinge, die am Montag in das Erstaufnahme-Quartier in der Turnhalle des Tölzer Gymnasiums gebracht werden. Zuvor aber muss er im kleinen Sitzungssaal einem der Mitarbeiter vom Sachgebiet Asyl im Sozialamt seine Personalien in den Computer diktieren. Für ihn wird Abdul Waheed Yarzada übersetzen, der ebenfalls auf Afghanistan stammt und schon länger in Deutschland lebt. Wie jeder der etwa zehn Dolmetscher - allesamt selbst Asylbewerber - trägt er einen weißen Kittel, was auf den Gängen und Sälen des Landratsamts so aussieht, als liefen lauter Ärzte herum. Yarzada spricht fehlerfrei Deutsch und hilft gerne. Jeffrey Pflanzer klopft dem früheren Manager auf die Schulter: "Unser bester Mann."

Dann muss sich der Fachbereichsleiter vom Sachgebiet Asyl seinen eigenen Problemen zuwenden. 148 der 151 Flüchtlinge sind meist junge Männer, vorwiegend aus Pakistan, Afghanistan, Syrien und afrikanischen Ländern, hinzu kommt eine afghanische Familie. Pflanzer muss nun eine Lösung suchen für die Frau, ihr Kind und ihren Mann. Ansonsten läuft bei der Registrierung alles ruhig ab. "Wir schauen, ob es Familienverbünde gibt, die wir zusammenlegen", sagt Abteilungsleiter Thomas Bigl vom Landratsamt. Bei ihrer Ankunft in München füllten die Flüchtlinge ein "wild paper" mit ihren wichtigsten Daten aus: Name, Geburtstag, Herkunft, Familie. Das wird überprüft und ergänzt, ehe sie busweise in die Turnhalle gebracht werden.

Peter Frech steht vor dem großen Sitzungssaal und hat nicht viel zu tun. Er leitet den Sicherheitsdienst Consulting und sieht seine Aufgabe nicht in strenger Aufsicht, sondern in Begleitung für die Neuankömmlinge. Das baue Vertrauen auf und sei gut für die nächsten sechs bis acht Wochen, in denen je vier Sicherheitsleute in der Turnhalle rund um die Uhr zugegen sind. Frech sieht das gelassen. Seine Firma arbeitet seit Jahren mit Asylbewerbern, "wir hatten keine großen Vorfälle". Suliaman muss noch warten. Welche Hoffnungen er hat? Er wünscht sich, dass man ihn "als Asylbewerber akzeptiert". Er möchte die Sprache lernen und Politik studieren.

© SZ vom 20.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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