Bad Tölz:Flüchtlinge als interkulturelle Botschafter

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Ein Schulungsprojekt des Vereins Hilfe von Mensch zu Mensch und des Katholischen Kreisbildungswerks

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Ein Unternehmen stellt einen Flüchtling als Praktikanten ein, aber die Zusammenarbeit klappt nicht so recht. In solchen Fällen kann sie künftig auch einen interkulturellen Botschafter zu Hilfe rufen, der zwischen beiden Seiten vermittelt. Der Verein Hilfe von Mensch zu Mensch und das Katholische Kreisbildungswerk haben in einem gemeinsamen Projekt eine Schulung organisiert, die noch bis zum Jahresende läuft. An sechs Wochenenden lernen die 20 Teilnehmer, wie man Hürden vor der Integration und in der Begegnung zwischen Zuwanderern und Einheimischen abbaut.

15 Flüchtlinge, zwei Migranten und drei Deutsche beteiligen sich an dem Kurs, der aus sechs Modulen besteht und samstags im ehemaligen Hotel Jodquellenhof in Bad Tölz stattfindet. Gefördert wird die Ausbildung vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). "Wir wollen das starre Bild aufbrechen, dass es die ehrenamtlichen Deutschen sind, die den hilflosen Flüchtlingen helfen", sagt Koordinatorin Christina Büchl vom Münchner Asylsozialberaterverein. Eine zunehmende Anzahl der Schutzsuchenden wolle aus dieser Empfänger-Position heraus und sich selbst engagieren, manche fungierten schon als Dolmetscher, organisierten Sportveranstaltungen oder arbeiteten in Helferkreisen mit. "Die Bedürfnisstruktur hat sich geändert", meint Büchl. Die Zeit, als rein formale Fragen wie zum Beispiel jene zum Asylverfahren im Vordergrund standen, sei langsam vorbei. "Jetzt geht es darum, wie Integration praktisch gelingen kann."

Sprachniveau, Alter, Geschlecht, Religion - die Kursteilnehmer sind bunt gemischt und bringen unterschiedliche Voraussetzungen mit. Diese Heterogenität sei gewollt, sagt Büchl. Schließlich sollen sie hernach auch Multiplikatoren sein und die Werkzeuge interkultureller Kompetenz, die sie im Unterricht bekommen haben, an andere Geflüchtete weiterreichen. In den samstäglichen Modulen erfahren sie in Vorträgen und Gruppenarbeit, was die hiesige Kultur eigentlich bedeutet, wie Kommunikation gewaltfrei gelingt und welche Strategien dazu sinnvoll sind, wie die Teilhabe in lokalen Verbänden und Gemeinschaften gefördert werden kann. Ein weiteres Thema sind Konfliktsituationen und Macht. Ein Machtgefälle gebe es auch schon zwischen ehrenamtlichen Helfern und Asylbewerbern, meint Büchl. "Und es ist ein Machtgewinn für einen Flüchtling, wenn er sieht, dass er selbst in der Lage ist, zu vermitteln und zu helfen." Die sechs Referenten arbeiten selbst freiwillig im Asylbereich und haben eine interkulturelle Ausbildung, sei es in der Germanistik, sei es im Management.

Am Ende bekommen alle Teilnehmer ein Zertifikat als "interkultureller Botschafter". Das Papier sei für viele Flüchtlinge wichtig, "um sich weiterzubilden und etwas nachweisen zu können", sagt Asylsozialberaterin Elena Taurini. Das sei eine große Hilfe für alle, die hierzulande eine Perspektive suchten. Ursula Menke vom Kreisbildungswerk hofft, dass Firmen, Vereine, Helferkreise, Arbeitsagentur und Jobcenter auf die externen Berater zurückgreifen. Sie sieht den Kurs als eine Fortführung des Integrationsprojekts "Neue Heimat" in Bad Tölz, das 2017 auch in Wolfratshausen und Geretsried angeboten werden soll.

Für Flüchtlinge gab es im Unterricht mitunter auch eine Überraschung. Als Zuwanderer fühlen sie sich fremd im fremden Land, es gibt aber auch Deutsche, die sich fremd im eigenen Land vorkommen - Sachsen, die nach Bayern oder Bayern die nach Sachsen umziehen. Ein Aha-Effekt für die Teilnehmer: "Viele waren froh, das zu hören", sagt Büchl.

© SZ vom 19.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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